Eines der grundlegenden Probleme der Filmwissenschaft besteht darin, daß sich ein Film als Ganzes nur in einer Filmvorführung enthüllt (und auch in diesem Prozeß immer gleich wieder verschwindet), d.h. der Film hat Aufführungscharakter. – Ich spreche im folgenden zunächst von einer Filmwissenschaft vor dem ‚Sündenfall‘ Videorecorder, was insofern fiktiv ist, als der Videorecorder die Etablierung der Disziplin Filmwissenschaft in der bundesdeutschen Universitätenlandschaft zumindest mit befördert hat.
Ein Vergleich mit dem Text in der Literaturwissenschaft: Die Präsenz eines Textes ist während der Analyse evident, sie kann durch ein aufgeschlagenes Buch und durch seine Zitierbarkeit anschaulich werden. (Dies gilt auch für die Gegebenheit eines Gemäldes). Bei einem Film ist sie immer nur als geschlossene Filmschachtel zu haben, als Schachtel-Körper (um eine Bezeichnung von Beilenhoff/Heller aufzugreifen). – Oder, falls man die Schachtel öffnet, als Folge von Einzelbildern und Tonspur auf einem Filmstreifen. Bei einer Betrachtung eines Filmstreifens erhält man zusätzliche Bilder, die der Ordnung der Standbilder angehören. Nur dieser Schachtel-Körper des Films ist strenggenommen über eine textuelle Analyse zugänglich. Im Kino trifft man dagegen auf einen Fluss-Körper (Beilenhoff/Heller). Die Objekthaftigkeit dieses Fluss-Körpers läßt sich aufgrund seiner Flüchtigkeit nur schwer feststellen – und dieses Fest-stellen ist hier im Wortsinne, aber auch im Sinne eines fixierenden Denkens vieler Wissenschaften gemeint. Seine Beschaffenheit übersteigt ein textuelles Verständnis des Films oder unterscheidet sich sogar grundlegend davon.1 Die Betrachtung von Filmen an einem Schneidetisch stellt einen seltenen Grenzfall dar. Dabei lassen sich nicht nur die Übergänge von Schachtelkörper zu Fluss-Körper sichtbar machen, sondern auch die Nähe von Filmbetrachtung und Filmproduktion. Was hindert einen Filmwissenschaftler daran, sich ein Stück Film am Schneidetisch herauszuschneiden oder den ganzen Film umzuschneiden? Mit der Einführung des Videorecorders – soviel läßt sich vorausgreifend sagen – wird das seltene Vergnügen einer Schneidetisch-Rezeption zu einem neuen Standardverfahren umgebaut.
Bleiben wir aber noch in der Ordnung von Schachtel-Körper und Fluss-Körper, d.h. vor der Einführung des Videorecorders. Das Studium des Schachtel-Körpers läßt sich als Studium von Einzelbildern denunzieren. Es ist ein Hilfsverfahren, das den Film in zusätzliche Bilder – Filmstandbilder – zerlegt (am deutlichsten hat das Angelika Breitmoser-Bock (in ihrer Studie: Bild, Filmbild, Schlüsselbild) herausgestellt, die nur noch einzelne Schlüsselbilder von Filmen in ihrem Verfahren untersucht). Der Flusskörper entzieht dich dagegen weitgehend dem Studium einer betrachtenden Untersuchung. Fragt man jetzt nach dem Gegenstand der Filmwissenschaft, so hat man auf der einen Seite die Zusätze Filmstandbilder, Filmprotokolle; und auf der anderen die Erinnerungen von Kinogängern an den Film. (Das letztere weist einmal mehr daraufhin, daß die Psychoanalyse in der Filmtheorie eine wichtige Rolle spielt/ oder zumindest gespielt hat). Die traditionelle Filmwissenschaft erscheint damit nicht mehr als ein wissenschaftliches Arbeiten ‚über Film‘ sondern:
Erstens als ein Arbeiten an Film-Erinnerungen und zweitens als ein Arbeiten an Zusätzen des Films (z.B. Filmstandbildern);2 Sie wird zu einem proust'schen Unternehmen, welches seine Texte aus Erinnerungen (inneren Bildern) (re-) konstruiert, einerseits und zu einem Spiel mit Zusätzen (mit äußeren Bildern), andererseits.
Die Zuspitzung des Gegenstands der Filmwissenschaft auf Erinnerungsbild auf der einen Seite und zusätzliche Filmstandbilder auf der anderen Seite (immer noch vor dem Zeitalter des Videorecorders) stellt schließlich eine Verschiebung des Arbeitsfeldes Filmwissenschaft in Aussicht. Dieses neue Arbeitsfeld ließe sich als ‚Wissenschaft vom Kino‘ bezeichnen. Eine ‚Wissenschaft vom Kino‘ wäre an der Differenz-Erfahrung der Bilder (Erinnerungsbilder / Filmstandbilder) geknüpft. Gegenstand dieser Wissenschaft wären dann die ‚Texte‘ (im weitesten Sinne) und Erfahrungen von Kinogängern, die aus dem Raum zwischen diesen Bildern hervorgehen.3
Neben diesen beiden Möglichkeiten des Zugangs zur Filmerfahrung etabliert sich seit Ende der 60er Jahre eine dritte: Videokopie und Videorecorder erlauben einen ganz anderen, technischen Zugriff auf Filme. Die Einführung von Videorecordern verläuft interessanterweise zeitlich parallel zur Entwicklung der Methoden der Filmanalyse in den 70er Jahren, ein Zusammenhang der meines Wissens bisher kaum untersucht wurde.4 Dabei ist weniger die Magnetbandaufzeichnung die Neuerung, die den Film in die Universitäten und später in die heimischen Wohnzimmer liefert, sondern ihre Verbindung mit dem technischen Lesegerät Videorecorder und mit dessen Befehlsstruktur: Play, Stop, Pause, Rewind, Fast Forward und Eject.5 Mit dem Lesegerät Video wird der Film an jeder Stelle zugänglich.6 Film erhält nicht nur neue Trägermedien wie Videocassette und später DVD. Er wird vielmehr zugänglich wie ein Buch, welches an jeder beliebigen Stelle aufgeschlagen werden kann. (Siegfried Zielinski spricht in diesem Zusammenhang von einer Literaturisierung des Films). Erst über das Video, so könnte man behaupten, läßt sich in der Film- und Medienwissenschaft ein greifbarer Gegenstand konstruieren, an dem ‚direkt‘ (wie in der Literatur- und Kunstwissenschaft) gearbeitet werden kann. Im Video wird der Film handhabbar. Pausetaste und Jog Shuttle funktionieren wie ein technischer Zeigefinger, der sich wie beim Studium eines Schriftextes über die Videoaufzeichnung bewegen läßt.7 Die allgemeine Verfügbarkeit von Videorecordern macht Film (im Video) schließlich ‚zitierfähig‘ und einfügbar in Vorträge, wie auch in digitale und Online-Publikationen.8
Neben die Texte und Erfahrungen von Kinogängern, die sich auf Erinnerungsbilder oder Filmstandbilder berufen, tritt mit dem Video eine dritte Form, eine ‚technische Verschriftlichung‘ von Film. Die Videokassette versucht auf ihre Weise die produktive Lücke zwischen Erinnerungsbild und Filmstandbild zu schließen. Sie gebärdet sich als greifbares Kondensat des Films und als weiterer Zusatz neben den Filmstandbildern und Filmprotokollen. Sie will sozusagen Laufbild (Film) und Standbild (Zusatz) in einem bereitstellen. Die eigentliche Verschiebung findet sich aber weniger am ästhetischen Objekt der Videoausstrahlung, noch in seiner spezifischen Medialität, sondern – und das ist meine Hauptthese – auf der Rezeptionsseite oder im Videodispositiv, hier gedacht als neue Anordnung einer Filmrezeption.
Sowohl der Kinogänger, als auch der Betrachter von Filmstandbildern läßt sich als Rezipient einer ‚unmittelbaren‘ Bilderfahrung denken,9 die auf die Co-Produktion und auf das Füllen von Leerstellen ausgerichtet ist. Das Video fügt dem Film aber nicht nur eine fixierte technische Aufzeichnung hinzu, sondern gleichzeitig seinen eigenen unmittelbaren Rezipienten (die Videotechnologie selbst ist der Leser oder Abtaster des Films). Dieser technische Rezipient wird zunehmend zum Erst-Leser.10 Das neue Dispositiv muß man sich so vorstellen: Der alte Zuschauer des Kinos tritt zurück und trifft auf eine (magnet-)schriftliche Rekonstruktion. Er wird zu einem Metazuschauer, der dem Videorecorder über die Schulter schaut. Der Verlust auf der Seite des Bildes liegt dabei weniger im vorher gegebenen, originalen Filmbild, sondern im Fehlen von dessen textueller Leere. (Und hier denke ich insbesondere an die phantasmatischen Momente des Kinos, in die man als Zuschauer investieren muß, damit die Kinoerfahrung entstehen kann). Zusammengefaßt: der Kinogänger wird durch die Videotechnologie ersetzt. Und die programmatische Befehlsstruktur (Play, FF, Rew., Stop, Eject) bringt den Zuschauer vor dem Monitor in eine Meta-Position.11
Aus dieser Meta-Position ergeben sich zwei Perspektiven für eine wissenschaftliche Arbeit mit Film. Die erste wurde bereits mit dem vermeintlichen Arbeiten am Gegenstand skizziert. Sie ist das Kennzeichen heutiger Medienwissenschaft. Die Medienwissenschaft verformt den Gegenstand Film mit seiner Videopraxis in ein buchähnliches Faktum. Sie löst ihn damit auch von seinem Aufführungsort Kino und von seiner spezifischen Rezeptionsperson dem Kinogänger. Für die Filmwissenschaft macht sie die Filmanalyse überflüssig, da diese im Programm des Videorecorders auf technischer Ebene im Grunde bereits vorliegt. (Man kann sich die Verfeinerungen der Möglichkeiten auf einer DVD leicht ausmalen, die in Zukunft Informationen zur Schnittfrequenz und anderen Daten von anfang an mitliefert. D.h. das Video – und hier insbesondere die programmatische Befehlsstruktur – stellen nicht nur den Zugriff auf einzelne Stills oder einen Slow motion-Modus bereit. Es eröffnet vielmehr Übersichten über den ganzen Film, wie sie heute schon mit Computerprogrammen errechnet werden). In letzter Konsequenz modifiziert diese Medienwissenschaft die Filmwissenschaft zu einem streng ‚metatextuellen‘ Unternehmen, das sich tatsächlich als ein Arbeiten über Film darstellt und das sich folglich im wissenschaftlichen Kommentar dessen erschöpft, was die Videokopie verzeichnet.12
Es gibt aber noch eine zweite Perspektive für die Arbeit mit dem Video. Diese führt paradoxerweise zurück zu einer Wissenschaft vom Kino: In der Videoaufzeichnung bleiben bestimmte Elemente eines Kino-Films indiziert.13 Sie geben damit die Konturen des proust'schen Unternehmens (einer Wissenschaft vom Kino) noch deutlicher – sozusagen auf zweiter Stufe – zu erkennen. Als Zuschauer vor dem Videomonitor befindet man sich auf der doppelten Suche nach (s)einer Erinnerung an die Kinoerfahrung: Man muß erstens die Kino-Filmerfahrung aus den Videobildern (re-)konstruieren, und zweitens die ganze Kinosituation, z.B. das Dunkel des Saals aus den Indizes ‚schwarze Balken‘, also den ganzen phantasmatischen Kinoraum. Diese zweite Perspektive findet ihre Basis also nicht mehr in einem wirklichen Kinobesuch, sondern ausschließlich in den Kinoindizes der Videokopie. Die Arbeit mit dem Video bleibt in diesem Sinne ein Vabanque-Spiel, in dem der Zuschauer seine Einbildungskraft an die Kino-Indizes des Video heftet und gegen die ‚technische Schrift‘ des Video einsetzen muß.14 So eröffnet auch die Nutzung des Videorecorders ein anderes Arbeiten mit Film – das sich nicht im Arbeiten ‚über‘ Film erschöpft. Ein solches Arbeiten ist an ‚imaginäre Kino-Erinnerungen‘ geknüpft, die ihre Spuren retroaktiv erzeugt – z.B. in einem Schreiben (ich sage jetzt mal ‚mit dem Film‘) – d.h. in einer Reflexion, die das Kino im Schreiben eigens mit hervorbringt.
Wenn man also auch über diesem Umweg – über Video und Schreiben – zum Kino zurückfinden kann, dann reicht eine Unterscheidung in Anordnungen – wie wir sie aus der Film- und Medientheorie kennen – in Kinodispositiv (bei Baudry) auf der einen Seite und Videodispositiv (z.B. bei Gwodz) auf der anderen, nicht mehr aus. Stattdessen könnte man besser von einer Kino- und Videodisposition sprechen. Die Beschreibung einer Disposition unterstreicht den innerpsychischen Bereich im Sinne einer Veranlagung. Damit gerät der Filmwissenschaftler nicht nur in seiner konkreten Praxis als Kinogänger oder Video-user in den Blick, sondern auch als ein Wesen, in dem sich kulturhistorische Erfahrungen, wie z.B. das Kino, zu Dispositionen verfestigen können. Kino wäre folglich nicht mehr nur an den sozialen Ort gebunden, wo auf bestimmte Weise Filme vorgeführt werden. Kino wäre dann auch als ein Wahrnehmungszustand zu verstehen, den man als Rezipient (und eigener Produzent) mit sich herumtragen kann.15
Videoüberwachung fokussiert die Flüchtigkeit von Alltagsereignissen. Der Einsatz des Videorecorders in der Filmwissenschaft zielt auf die Flüchtigkeit einer Filmaufführung. Die Argumentationsmuster sind in beiden Fällen ähnlich. Knut Hickethier schreibt: „Erst damit, dass Medienproduktionen für die Analyse ... aufgezeichnet und beliebig oft reproduziert werden konnten, waren die Voraussetzungen für eine analytische wissenschaftliche Beschäftigung mit den Medien geschaffen. Dies gilt auch für die filmwissenschaftliche Arbeit.“ Das Begehren nach Videoüberwachung resümiert Thomas Y. Levin folgendermaßen: „Es scheint, als reichten im Zeitalter der Überwachung, zwischenmenschliche Handlungen, selbst wenn sie in Gegenwart von Zeugen stattfinden, nicht mehr aus, um ein Ereignis zu konstituieren. Jedes Ereignis - ja sogar eine strafbare Handlung - hat erst dann stattgefunden, wenn es einer Form der Video(selbst)überwachung unterzogen wurde.“
Im Rodney-King-Prozeß wurde eine zufällige Videoaufzeichnung zum spektakulären Gegenspieler von polizeilichen Zeugenaussagen. Das als Rodney-King-Video bekannte Dokument zeigt den brutalen Gewalteinsatz von Polizeibeamten gegenüber einem farbigen Autofahrer.16 Dieses Videodokument konnte die Glaubwürdigkeit eines ganzen Polizeistabs und eines Gerichts samt Urteilsspruch auf bisher nicht gekannte Weise in Frage stellen. Nach dem Gerichtsurteil kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, erst viel später zu einer Revision des Gerichtsverfahrens. Die Wirkmächtigkeit eines einzigen Videobandes gegen eine Vielzahl von Aussagen birgt auf einer abstrakten Ebene die Hoffnung, daß ‚Videoüberwachung‘ eine objektive Instanz und ein demokratisches Mittel gerade auch zum Schutze des Einzelnen vor Willkür und Gewalt sein könnte. Diese Idee wurde auch nach den Anschlägen in New York wieder neu ins Spiel gebracht, obwohl oder gerade weil es Videoaufnahmen der mutmaßlichen Täter gab, wie sie auf dem Flughafen den Sicherheitsbereich passieren.
Die Gemeinsamkeit einer Filmwissenschaft mit der Videoüberwachung besteht nun darin, daß beide Disziplinen weder die spezifische Medialität der Videobilder noch das Videodispositiv und die eigenen Verstrickungen der tätigen Analytiker während der Videoerfahrung reflektieren. Der Filmwissenschaftler ‚analysiert‘ den Film und der Erkennungsdienst einen Tathergang. Beide arbeiten distanziert aus einer Metaposition. Dennoch sind beide die zentralen Schaltstellen, die mittels Videoauswertung dem Film/Tathergang einen Kommentar hinzufügen und damit den Film / das Geschehen mit Bedeutung versorgen.
Ein kritische Befragung des Video führt aber nicht zwangsläufig in einen Celluloid-Fetischismus oder zu einer Diskreditierung der Videotechnologie insgesamt. Nimmt man im Gegenteil Medialität und Dispositiv des Video (auch die Videodisposition) gleichzeitig in den Blick, so führt man sowohl die Filmwissenschaft wie auch die Videoüberwachung in eine kritische Selbstreflexion. Beide Disziplinen erscheinen dann als Formen einer ‚Recherche du temps perdu‘ an deren (Re-) Konstruktionen immer auch der Filmwissenschaftler / Erkennungsdienstler mit seinen jeweiligen Vorerfahrungen und (kulturellen) Phantasmen beteiligt ist. Mithilfe dieser Analogie geraten schließlich anstelle der Objektivität der Videoaufzeichnung auch wieder die Ebene der Einbildungskraft und die Psychoanalyse in den Blick. Für den Filmwissenschaftler bedeutet dies, seine Teilnahme als Leser / Zuschauer auf zwei unterschiedlichen Ebenen zu reflektieren. Einmal im Hinblick auf ein Bedeutungsraster, in welches der Videofilm aus der Metaposition fällt. D.h. er erkennt sich als Zweitleser in Distanz.17 Das zweite Mal geht es um die Möglichkeit eine Kinoaufführung aus dem Geiste des Filmwissenschaftlers, d.h. aus seiner Imagination neu zu erfinden. Das was zunächst als objektiver Tatbestand des Video erscheint ist demnach auf zweifache Weise auf die Co-Produktion des Filmwissenschaftlers und seine Selbstreflexion angewiesen.
Was die Parallelführung von Filmwissenschaft und Videoüberwachung in Aussicht stellt ist zweierlei: 1. eine gegenseitige Aufklärung im Hinblick auf Medialität und Dispositiv des Video innerhalb dieser Disziplinen und 2. eine Kenntnisnahme der besonderen Rolle des Kriminalisten bzw. Filmwissenschaftlers und insbesondere ihrer Phantasmen und kulturellen Prägungen, die es ebenfalls zu analysieren gilt.
Betrachtet man zunächst nur das Verhältnis von Kino-Film und Home-Video, so geht zum einen das Zeitalter der Magnetbandcassette gerade seinem Ende entgegen und wird ersetzt von anderen computerkompatiblen Trägern, wie der DVD, die einen erweiterten Zugriff auf den ‚polymedialen‘ Film erlauben. Zum anderen erlebte der Kino-Film in den 90er Jahren eine Renaissance in den neuen Architektur- und Management-Strukturen der Multiplexe, sowie in deren technischer Ausstattung insbesondere der Soundsysteme (vgl. Nora Rahman). Solche Wendepunkte in der Technikgeschichte erlauben auch einen anderen Blick auf die unterschiedlichen Medien, eine Art Rückschau auf ihre Entwicklung. Dazu im folgenden ein paar Fragen:
Wie kann man das Verhältnis von Kino-Film und Home-Video heute denken?
Soll man sich begnügen mit dem schon genannten Begriff des polymedialen Films (Joachim Paech) oder soll man von einem Medienverbund Kino/Fernsehen/Video/Computer/Cyberspace sprechen (Andre Gwozdz)?
Macht es überhaupt noch Sinn zwischen FAZ (Filmaufzeichnung), MAZ (Magnetbandaufzeichnung) und DAZ zu unterscheiden, angesichts der medialen Verflechtungen von Produktion, Post-Produktion und Distribution?
Anders gefragt, ist es ein Vorteil, daß die Film- und Medienwissenschaft zumindest hierzulande keine scharfen Grenzen zwischen den Trägermedien zieht, und trägt sie damit – im Gegensatz z.B. zu anderen Künsten – dem Diktum Adornos von einer Verfransung der Künste Rechnung?
Oder muß man doch der vor allem aus Frankreich stammenden Kritik am Videobild als Nullbild (Pascal Bonitzer) folgen und damit zwangsläufig jede Videocassette oder DVD eines Kinofilms in den Giftschrank verbannen?
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