Filmschaffensprozesse in einer postkinematografischen Wirklichkeit
„Watch DUNKIRK the way Christopher Nolan intended“: Was nach einer Empfehlung für Kino-Liebhaber*innen klingt, die Nolans Film über die Evakuierung des britischen Expeditionsheeres im Juni 1940 exakt in der vom Regisseur präferierten Art und Weise sehen wollen1, ist in Wirklichkeit der Name eines Memes, das 2018 auf Twitter, Instagram und in verschiedenen Facebook-Gruppen zirkulierte. Unter der Caption wurden Bilder verbreitet, auf denen eine Vorführung oder Wiedergabe von DUNKIRK (GB/F/NL/USA 2017) unter Bedingungen zu sehen war, die vom traditionellen Dispositiv des Kinos meilenweit entfernt scheinen. Der Film wird auf einem Smartphone, einem iPod, einer Apple Watch, auf einem Entertainmentbildschirm im Flugzeug und sogar auf einem alten Nintendo-Gameboy abgespielt. Hauptsache, der Bildschirm ist möglichst winzig oder verpixelt – das genaue Gegenteil einer übergroßen IMAX-70mm-Projektion, die ‚the way Christopher Nolan intended‘ entspricht.
Eine Zuspitzung erfährt das ‚The-Way-Christopher-Nolan-Intended‘-Meme durch Fotomontagen, die nicht nur die Rezeption, sondern auch die Produktion des Films in den Blick nehmen. Offizielle Werbefotos der Dreharbeiten kursierten mit der entsprechenden Bildunterschrift besonders in Facebook-Gruppen wie Movie-Set-Memes, in denen Filmarbeiter*innen ‚below the line‘ mit Memes und Kurztexten die oftmals unzulänglichen Arbeitsbedingungen in der Filmindustrie ironisch kommentieren. ‚Boom operating the way Nolan intended‘ ist etwa der Titel eines Fotos von Nolan, der – in der Pose eines Tonassistenten mit Mikrofonangel – ein an einer Metallstange befestigtes Flugblatt mit ausgestreckten Armen über den Kopf von Fionn Whitehead balanciert, um dem Schauspieler die Blickrichtung für eine Einstellung in der Eröffnungsszene vorzugeben. Publicity-Material der Produktion wird hier spielerisch umgedeutet, als unfreiwillige und manchmal entlarvende Selbstkommentare der DUNKIRK-Produktion uminterpretiert.
Das Meme ‚The Way Nolan Intended‘ ironisiert eine besondere kinematografische Physis: einerseits die eines ‚Materialzaubers‘, nämlich der brillanten und ausdrucksstarken 70mm-Filmästhetik, andererseits die der körperlichen und stofflichen Konditionen ihrer Herstellung. Es scheint um eine Realpräsenz beim Dreh zu gehen, die sich dann in den Filmstreifen einschreibt: um einen wortwörtlichen ‚Hands-on-Approach‘ des Regisseurs Nolan und seines Teams. Im Diskursumfeld von DUNKIRK betonen die Filmemacher*innen das Moment des ‚Analogen‘ als zentrales Rezeptions- und Produktionsmerkmal, durch das sich der Film vom zeitgenössischen Blockbusterkino abhebt. Mit dieser Selbstbeschreibung ist die Forderung nach einem unmittelbaren physischen Kontakt von Ort und Film, Bildherstellung und Bildrezeption gemeint. Dieser Anspruch nach dem Analogen wird mit dem Internetphänomen parodiert.
‚The Way Christopher Nolan intended‘ könnte aber auch einen filmtheoretischen Diskurs betiteln, der sich über die letzten Jahre unter dem Begriff des Post-Cinema formierte. Auch hier geht es um die besondere kinematografische Physis und die Vorbehalte gegenüber filmtechnischen Aufnahme- und Wiedergabesettings, die derselben zuwider zu stehen scheinen und zu ‚indexikalischen Verunsicherungen‘ führen. Gemeint sind in der Regel nicht-fotografische Belichtungs-, Beleuchtungs- oder Weiterverarbeitungssituationen von analogen Zelluloidstreifen, die für einen materiellen Kontakt von Film und Wirklichkeit einstehen.2 Das Argument für ‚das Analoge‘ wird meist in dezidierter Abgrenzung vorgebracht, wie sie auch die Herstellungsbedingungen von DUNKIK vorgeben. Über Umwege schreibt sich nämlich in den Komplex DUNKIRK etwas ein, was die offiziellen Vertreter*innen der Produktion eigentlich an den Rand, wenn nicht sogar ganz aus dem Film und seiner Herstellung herausdrängen wollen: ‚das Digitale‘.
Wir möchten im Folgenden dem Selbstanspruch des ‚Analogen‘ eine andere Lesart der (Post-)Produktion von DUNKIRK entgegensetzen. Wir gehen davon aus, dass der Film, trotz anderslautender Intentionen, ein zutiefst digitales Phänomen ist. Dies wird ausgerechnet dort besonders deutlich, wo die Macher*innen von DUNKIRK den vorgeblich un-digitalen Charakter der Produktion am nachdrücklichsten in den Vordergrund stellen: in Formen des Making-ofs. In Anlehnung an Siegfried Kracauer wollen wir erstens zeigen, wie das autorisierte THE MAKING OF DUNKIRK (USA 2017) mit seinem Fokus auf analoge Filmherstellung dem Narrativ einer ‚Errettung der profilmischen Wirklichkeit‘ zuarbeitet. Hauptbestandteil dieser antidigitalen Entgiftungskur ist ein Reenactment – aber weniger dasjenige eines historischen Ereignisses, sondern eines von vor-digitalen, filmhistorischen Produktionstechniken. Auch wenn Nolan eine unmittelbare, ‚analoge‘ Verschränkung von Kamera und Wirklichkeit beschwört, ist der ‚Gang ins Profilmische‘ zweitens nun aber ein unweigerlicher Eintritt in ein Setting der digitalen Nachbearbeitung. Über Dokumentationen der Herstellung von DUNKIRK stellt sich ein genuin postkinematografisches Szenario ein: Nicht nur die schweren IMAX-Kameras waren in Begleitung von Unit Publicists an den Nordseestränden unterwegs. Dem offiziellen Making-of stehen unzählige Videos über die Dreharbeiten gegenüber, die zufällig von Schaulustigen und Passant*innen mitgefilmt und verbreitet wurden. Diese digitalen Footage-Schnipsel bringen die scheinbar gänzlich un-digitale Produktion des Historienfilms noch einmal neu hervor.
Aus der Konfrontation von offiziellem Making-of-Material und inoffiziellen, im Internet zirkulierenden Making-of-Fragmenten ergeben sich bestimmte Bildrelationen. Sie stellen die Produktion von Bewegtbildern unter die Vorgaben schwankender Production Values. Unser Interesse folgt hier einer Methodik, die in der Desktop-Documentary TRANSFORMERS THE PREMAKE (2014) von Kevin B. Lee entwickelt wird. Lee dokumentiert die Herstellungsbedingungen von Michael Bays TRANSFORMERS: AGE OF EXTINCTION (2014) aus einer genuin digitalen Perspektive. Ein Zusammenschnitt des (in-)offiziellen Materials, das vor dem Kinostart eines der umsatzstärksten Filme der letzten Jahrzehnte auf Video-Sharing-Plattformen zirkulierte, zeigt, dass Bildherstellung universal in der rezenten Digitalkultur verankert ist. Lees Ansatz, welcher der analogen Auratisierung der DUNKIRK-Produktion diametral entgegensteht, macht vor, wie hochprofessionalisierte Workflows von groß angelegten Filmprojekten unter postkinematografischen Vorzeichen immer nur einen kleinen Ausschnitt in einem ubiquitären Setting digitaler Bildproduktion bilden. Die Schnittstellen von autorisierten Filmherstellungskontexten und nicht-autorisierten, gleichsam aber intendierten Formen der Erzeugung von Digitalbildern, die Lee in seiner Desktop Documentary offenlegt, werten wir als aussagekräftig bei der Bewertung postkinematografischer Fragen nach der Herstellung von Film. Denn über diese Bildrelationen zeigen sich Schaffensprozesse, die schwer auf lineare Prä- oder Post-Produktionsschritte eindämmbar sind. In Bezug auf DUNKIRK geht mit diesem Versuch einer Reglementierung (‚the way Christopher Nolan intended‘) eine Werthierarchie einher, die ‚das kinematografisch Analoge‘ vor ‚das Digitale‘ stellt. Mit dem Blick auf die digitale Umgebung, die eine solche Forderung einsäumt, lässt sich erkennen, dass ein profilmisches Begehren und sein Reenactment durch Ausschluss der digitalen Postproduktion immer schon unter Vorzeichen derselben stehen: Die profilmische Produktion kommt postkinematografisch mit oder nach der digitalen Postproduktion, wie im Folgenden deutlich werden soll.
DUNKIRK gibt ein historisches Ereignis in seiner multiperspektivischen Totalität wieder. Statt einer konventionellen Figurenzeichnung und einem klassischen Handlungsaufbau changiert der Film konstant zwischen drei Zeit- und Raumebenen, die sich punktuell überkreuzen. Eine Woche lang müssen britische Soldaten am Strand von Dunkerque unter deutschem Beschuss ausharren; einen Tag lang segelt ein britischer Zivilist mit seinem Sohn und dessen Freund auf einer Ausflugsyacht Richtung Frankreich; eine Stunde dauern die Luftkämpfe eines Piloten der Royal Air Force, bis er hinter den deutschen Linien notlanden muss. Der Film endet schließlich mit der Evakuierung der letzten verbliebenen Truppen durch die berühmten Little Ships, die die britischen Soldaten vom Strand zu den ankernden Schlachtschiffen und teilweise bis nach England übersetzen.
Die Makroperspektive des Schlachtverlaufs, die Ebenen der Generalität und Politik, fehlen in DUNKIRK, werden aber durch eine andere abstrahierende Perspektive ersetzt: Im Fokus steht der Blickwinkel einfacher, oft namen- und sogar gesichtsloser Soldaten3, ihr jeweiliger Erfahrungsraum am Strand, zu Wasser und in der Luft. Sie treten weniger als Charaktere und mehr als ‚Menschentypen‘ in Erscheinung: als Allegorien, gemessen an ihrer emotionalen Verfassung. Offensichtliche Fiktionalisierungen, etwa biografische Hintergrundinformationen, werden eher vermieden. Das Publikum soll vor allem eine affektiv-körperliche (Morsch 2015) Perspektive auf das Geschehen einnehmen. Filmzuschauer*innen sollen das quälende Warten, die Ungewissheit und Unübersichtlichkeit immersiv nachvollziehen, sich gemeinsam mit den englischen Soldaten in den langen Warteschlangen am Strand wiederfinden, mit ihnen im nassen Sand vor den deutschen Sturzkampfflugzeugen Deckung suchen.
Für einen historischen wie filmphänomenologischen Nachvollzug scheint es naheliegend, den Film dort zu drehen, wo sich die Evakuierung zugetragen hat. Der Abstand zwischen realhistorischem Ereignis und seiner Rekonstruktion in Spielfilmform würde dadurch möglichst geringgehalten. Nirgendwo wird diese Idee deutlicher artikuliert als im offiziellen Making-of des Films, THE MAKING OF DUNKIRK.4 In fünf Hauptkapiteln mit insgesamt 16 Unterkapiteln von je 10 bis 15 Minuten wird die Entstehungsgeschichte des Films entfaltet. Dies geschieht zunächst eher konventionell. Die DUNKIRK-Produktion wird von der Idee bis zur Fertigstellung über kurze Ausschnitte zentraler Filmszenen, Stills, Setfotos, kurze Behind-the-Scenes-Aufnahmen der Dreharbeiten und ausführliche Interviews mit Crewmitgliedern und Schauspielern5 dokumentiert. Nicht nur Nolan, sondern etwa auch Kameramann Hoyte van Hoytema oder Editor Lee Smith treten als kompetente, kreativ tätige Auteurs auf, wie es im marketingorientierten (TV-)Making-of seit den 1960er Jahren üblich ist (Steinhart 2018: 116). Auch die Strukturierung der Kapitel entlang den Vorgaben der DUNKIRK-Dramaturgie (unterschieden wird z.B. zwischen „Land“, „Air“, „Sea“) ist eine typische Bespiegelung von Film und Produktionsgeschichte, die ebenfalls ab den 1960er Jahren als Form zunehmend konsolidiert wird (ebd.: 113–117).
Erste Besonderheiten des Making-ofs von DUNKIRK werden an der Art und Weise erkennbar, wie die Beteiligten wieder und wieder auf die Notwendigkeit von Originalgerät und -schauplätzen verweisen. Stuntkoordinatoren und Production Designer erklären angesichts der historischen Spitfire-Flugzeuge, die Dreharbeiten würden in ihrer Performativität fast wie Theater, nein, sogar wie die Realität selbst anmuten („There is no acting needed there!“ (00:19:39)). Nolans First Assistant Director Nilo Otero ist überzeugt: „The best way to make a movie about something is to get that something and make a movie about it“ (00:17:34). Und van Hoytema verkündet zu Bildern des untergehenden Sanitätsschiffes, nachdem er vorher mit der IMAX-Kamera auf der Schulter durch die knietiefe Nordsee waten musste: „You know, a little bit of physical pain, there is nothing wrong with that“ (00:15:54).
Die große und unhandliche Kamera, das Drehen ,on Location‘, der großflächige Einsatz von ‚echten‘ Requisiten: Was im Making-of als Produktionsform aufgeführt wird, ist ein eigentlich anachronistisches Filmherstellungsprogramm, nämlich „a little bit of old-fashioned Hollywood“ (01:26:00), wie ein ausführender Produzent später die Dreharbeiten in den Wassertanks der Warner-Studios beschreibt. THE MAKING OF DUNKIRK empfindet in der Form des Making-ofs, wie man in Anlehnung an Dennis Göttel (2018) argumentieren könnte, filmhistoriografisch Filmgeschichte als Produktionsgeschichte nach. Demnach ist es jedoch weniger der Film DUNKIRK, den das Making-of als quasidokumentarisches Reenactment inszeniert. Vielmehr stellt es selbst ein Reenactment dar – aber eben weniger der Geschehnisse von 1940, sondern ihrer analog-filmischen Wiederaufführung. Maria Muhle stellt Formen des Reenactments einem immersiven, naiven Durchleben einer mittelbaren, vergangenen Wirklichkeit gegenüber. Das Reenactment zielt für sie „auf eine Wiederherstellung und ein Zurechtrücken eines Vergangenen [ab]“ und schreibt sich „in einen Wahrheitshorizont [ein] […], der gegeben zu sein scheint“ (2013: 120). Im Falle von DUNKIRK wäre es daher falsch, den Film selbst als Reenactment der historischen Evakuierung zu verstehen. Die Offenlegung der filmischen Inszenierung im Making-of zeigt, dass historische Vergangenheit hier nicht minutiös im Sinne einer „minderen Mimesis“ (Muhle 2016) nachgeahmt wird. Wohl aber wird hier eine bestimmte, anachronistische Form der Filmherstellung imitiert – eine Nachahmung freilich, die erst durch die Form und Rhetorik des Making-ofs prominent in Erscheinung tritt.6 Zu dieser idealisierten Form des alten, vordigitalen Filmemachens gehört ein umfassendes Repertoire an technischen Kniffen und Tricks, die von Flugzeug- und Schiffsminiaturen bis hin zu Soldatenkolonnen aus Pappe reichen, welche wie Zäune am Strand aufgestellt werden. (Doch bereits hier schleicht sich das Digitale unweigerlich in die Produktionsabläufe ein: Bei der Herstellung der Pappsoldaten kamen Photoshop und Laserdrucker zum Einsatz).
Das Produktionsreenactment übernimmt für die Struktur des Making-ofs die wichtige Funktion, disparate und widersprüchliche Gesichtspunkte der Produktion doch noch zusammenzubringen. Hier wird wieder der Aspekt des Drehortes zentral: Obwohl zu Anfang die Wichtigkeit der Originalschauplätze geradezu mantra-artig von Schauspielern und Crew betont wurde, zeigen spätere Sequenzen, dass die Produktion für Aufnahmen auf offener See auf das keineswegs offene, sondern vollständig eingedeichte IJsselmeer in Nordholland umgezogen ist. Stunt-Aufnahmen der sinkenden Schiffe wurden in den Studiowassertanks und ‚Backlots‘ aufgenommen (wobei van Hoytema, ganz im Sinne der Betonung von physischer Dreharbeit, über die angenehmen Wassertemperaturen in Burbank witzelt, 01:25:25). Nahaufnahmen der Kampfpiloten in ihren Cockpits wurden schließlich vor echten Himmel, aber eben doch an der kalifornischen Pazifikküste nachgedreht. Doch auch dies ist kein Widerspruch zum übergeordneten Produktionsnarrativ eines körperlichen, unmittelbaren und daher ‚analogen‘ Filmemachens. Nolan höchstselbst rüttelt an den Cockpits, um Erschütterungen im Luftkampf zu simulieren. Nie ist er hinter Vorschaumonitoren zu sehen, stattdessen stapft er neben Schauspielern und Crew in Anglerhosen durchs Wasser und rudert sein Kamerateam für eine Einstellung persönlich über das IJsselmeer.
Die „old school definition of directing“ (00:21:00), die Nolan in der Darstellung des Making-ofs und aus Sicht des Schauspielers Jack Lowden mustergültig verkörpert, buchstabiert Filmemachen wieder und wieder als ein physisches ‚Machen‘ aus (Lowden zeigt sich begeistert: „[…] he is moving that stuff within the frame. He is actually making the film. He is the definition of a film maker.“ (00:21:24–00:21:30)). Eine Konsequenz: Digitale Nachbearbeitungen, und sei es nur das dezente Entfernen von Drahtseilen, an denen Stuntmen bei Explosionen ruckartig aus dem Sand gerissen werden, haben in dieser Making-of-Erzählung keinen Platz. Szene um Szene arbeitet THE MAKING OF DUNKIRK damit der Errettung nicht einer politisch-zeitgeschichtlichen, sondern einer profilmischen Wirklichkeit zu. Diese profilmische Wirklichkeit wird im geradezu paradoxen Experimentalrahmen aus programmatischen Ansprüchen und postkinematografischer Filmherstellungsrealität besonders in ihrer Widerständigkeit augenfällig. Ausgerechnet in der IMAX-Kamera laufen widerstreitende Tendenzen des Produktionsreenactments und der ‚Gegendruck‘ des Profilmischen am deutlichsten zusammen: Einerseits soll sie in Blickwinkel und Bewegungsumfang einer digitalen GoPro-Kamera in nichts nachstehen (00:14:53 bzw. 00:46:09), andererseits werden die Dreharbeiten durch die Physis der IMAX-Kamera zum Problem. Der Kamerakorpus rauscht und rattert bei jeder Aufnahme, Dialogszenen müssen deshalb auf 65mm und mit einem anderen Kamerasystem aufgenommen werden (00:13:34).
Die Nichterwähnung digitaler Nachbearbeitung ist in THE MAKING OF DUNKIRK eine argumentative Konstante. Hinzu kommt ein auch quantitatives Herunterspielen von Produktionsetappen, die nach den Dreharbeiten notwendig sind. Filmschnitt (natürlich am analogen Schneidetisch!) und die Aufnahme der Musik müssen sich gemeinsam eines von 16 separaten Making-of-Kapiteln teilen. THE MAKING OF DUNKIRK ist in dieser übermäßigen Betonung der profilmischen Aspekte der Dreharbeiten beileibe kein Einzelfall. Auch in anderen, rezenten Making-ofs lässt sich ein wachsendes Unbehagen vor dem Digitalen im Allgemeinen und digitaler Postproduktion im Besonderen beobachten. Dies markiert eine neue Etappe in der Art und Weise, wie Making-ofs, verstanden als jahrzehntealtes Werbeorgan der Filmindustrie, bestimmtes Produktionswissen an ihre Zuschauer*innen kommunizieren.7 Nachdem noch in den 2000ern viel Wert auf eine genaue Nachzeichnung digitaler (Nach-)Bearbeitungsschritte gelegt wurde, ist seit einiger Zeit eine Gegenbewegung zu beobachten. Die grundlegende Dialektik des Making-ofs aus einer „Pseudosichtbarkeit“ bestimmter Gewerke und Produktionsvorgänge und einer „Hyper-Unsichtbarkeit“ anderer Arbeitsfelder und -prozesse wird neu ausgerichtet (Atkinson 2018: 161–168). Je mehr die Bilder von (entsprechend budgetierten, populären, kommerziellen) Filmen mit digitalen Anteilen aufgepolstert werden, umso mehr wird in paratextuellen Begleitmaterialien, so scheint es, die ‚Echtheit‘ und Physis von Schauspieler*innenkörpern, Requisiten, Dekors oder, ganz allgemein, einer profilmischen Performance unterstrichen.
THE MAKING OF DUNKIRK dokumentiert also nicht einfach nur die Produktion des Films DUNKIRK. Es legt über den Anspruch einer Errettung der profilmischen Wirklichkeit fest, was zu dieser Produktion gehört und was nicht. Im unübersichtlichen Geflecht aus Menschen, Schauplätzen, Kulissen, technischem Gerät, Werkstätten usw. wird ein privilegierter Entstehungsraum des Films abgezirkelt. Einerseits manifestiert diese explizite Einhegung einen profilmischen Realismus, der im Sinne Muhles „einen experimentellen Rahmen“ absteckt, „um zu erproben, wie sich etwas, genauer: ein vergangenes Ereignis, erneut ereignen kann“ (2013: 130f, Herv. im Original). Andererseits ist nun aber dieser Experimentalkontext des profilmischen Reenactments von anderen, postkinematografischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Im Außen des Making-ofs liegt ein zweiter „Raum der Produktionsmittel“ (Krautkrämer 2013: 117), nämlich der sehr wohl stattgefundenen, digitalen Nachbearbeitung.8 Im Anschluss an Florian Krautkrämers Überlegungen zu einem digital-filmischen Außen möchten wir argumentieren, dass sich THE MAKING OF DUNKIRK und DUNKIRK als Filmprojekt in einem Raum der digitalen Postproduktion bewegen – trotz antidigitaler Rehabilitierung, trotz analogem Anspruch auf die Errettung der profilmischen Wirklichkeit.
(Digitale) Postproduktion beschreibt einen filmindustriellen Schritt nach der Bildakquise. Das Filmmaterial wird nachbearbeitet, d.h. geschnitten, farbkorrigiert, nachvertont, mit visuellen Effekten versehen usw. (vgl. Kuhn/Westwell 2012: 325). Krautkrämer schaltet nun diesen Zwischenschritt in der Verarbeitungskette des Films mit der eigentlich erst danach erfolgenden Filmrezeption kurz, verdeutlicht und verdichtet im Medienverbund „Handyclip“ (Krautkrämer 2013: 117). Hier könne einerseits die Sichtbarwerdung unterschiedlicher Bildtypen mit schwankender Auflösung nachvollzogen werden, wie sie im hiesigen Kontext auf ironische Weise auch durch die ‚The-Way-Nolan-Intended‘-Memes aufgerufen wurde. Neben der ubiquitären Verbreitung von filmischem Material zeige sich über Handyclips andererseits aber auch die Übertragung von Bildern „auf andere Orte oder Zusammenhänge“ (ebd.: 124). Damit einher gehe eine Enthierarchisierung bildherstellender Bereiche, jenen „Räumen der Produktionsmittel“ (ebd.: 117). Vormals war das Publikum von der Herstellung der Bilder rigoros abgegrenzt; nun entledigt es sich seiner passiv-rezipierenden Rolle durch neue Möglichkeiten der (nicht-autorisierten) Weiterverarbeitung. Krautkrämer fragt: „Liegt das neue ‚Jenseits der Bilder‘ (außerhalb, hinter) nun vor ihnen (vor dem Bildschirm, vor dem Schnittprogramm)?“ (ebd.).
Folgt man Krautkrämer in dieser Hinsicht, kann Postproduktion die Wirkungsintentionen von (künstlerischen) Werken umschreiben, um sie hegemonialen Kontexten der Bildgebung zu entreißen. Trotz des starken Narrativs, welches THE MAKING OF DUNKIRK durch seine Errettung der profilmischen Wirklichkeit vorgibt, wäre dann die Herstellungshoheit der Produktion von DUNKIRK nicht unbedingt innerhalb des autorisierten Zirkels des Making-ofs fixiert. So sehr Nolan mit seinem Analog-Anspruch, der sich mit der reglementierten Rezeptionssituation im IMAX-Kino fortschreibt, versucht, die ‚intendierte Art und Weise‘ der Filmbilder zu antizipieren und einzuhegen, so wenig wäre dies unter den Einwirkungen eines postkinematografischen Außen möglich.
Im Anschluss und in Weiterentwicklung von Krautkrämers Konzept der Postproduktion soll im Folgenden nun aber gerade kein counter-narratives, künstlerisch-reflektierendes Détournement von THE MAKING OF DUNKIRK nachvollzogen werden. Es soll auch nicht darum gehen, mit den im Folgenden auszuführenden digitalen Postproduktionskontexten weitere Metaebenen einzuziehen, die nicht nur den Herstellungskontext von DUNKIRK, sondern nun auch von THE MAKING OF DUNKIRK in den Blick bekommen würden. Vielmehr soll in einem letzten Schritt gezeigt werden, dass digitale Postproduktion einen postkinematografischen Status festlegt, der für jegliche Form von Bildakquise gilt: Sobald sich eine Kamera auf die Wirklichkeit richtet, tut sie dies unter Anwesenheit weiterer Kameras, weiterer autorisierter und nicht-autorisierter, weiterer analoger oder digitaler Bilderherstellungsgefüge. Im Folgenden möchten wir zeigen, wie Herstellungskontexte durch Bilder mit schwankenden Wertzuschreibungen enthierarchisiert werden – und zwar zunächst am Beispiel der blinden Flecken von THE MAKING OF DUNKIRK.
Rund 600 Minuten inoffizielles Videomaterial über die Produktion von DUNKIRK wurden seit Mai 2016 auf YouTube hochgeladen. Es stammt von Anwohner*innen, Schaulustigen, Fotograf*innen und Filmemacher*innen, die an den Absperrungen der Sets kurze Impressionen der Dreharbeiten fotografiert und gefilmt haben. Die Grenzen zwischen Amateurfilm, (semi-)professioneller TV-Berichterstattung und Vlogging sind fließend: Sieben Clips sind Beiträge lokaler Fernsehsender, drei sind Vlogs von französischen und englischen YouTuber*innen. Die insgesamt rund 120 Clips entfallen zu einem Großteil auf die Dreharbeiten in Dunkerque selbst. 37 weitere Videos wurden am IJsselmeer, 21 im englischen Weymouth aufgenommen. Etwa die Hälfte der Videos hat eine Laufzeit von weniger als zwei Minuten; ungefähr ein Dutzend sind reine Fotocollagen.
Wie Krautkrämer verdeutlicht, lassen sich genau über solche populären Medienpraktiken genuine Unterscheidungen zwischen einer (diegetisch) medialisierten Wirklichkeit – z.B. einem Film – und ihrem Außerhalb immer schwerer fassen (vgl. Krautkrämer 2013). Der Gebrauch speziell von Handyvideos ist nicht final fixiert, die Möglichkeit zur unbegrenzten Weiterverbreitung und -verarbeitung dem Format inhärent. Das hors-cadre, das real identifizierbare ‚Außen‘ der Produktionsapparaturen (vgl. Aumont et al. 1992: 15–18), verschiebe sich daher auf den weiteren Umgang mit dem Videomaterial, das beliebig kopiert, verbreitet, verteilt und verändert, also (digital) nachbearbeitet werden kann. Die Produktion der per Handy aufgenommenen Bilder geht potenziell weiter; die ehemals getrennten Sphären von Produktion und Rezeption fallen nun in einer fortgesetzten Postproduktion zusammen. Genau hier bringt Krautkrämer das reale Außen des Films wieder ins Spiel: „Erst mit der Weiterverarbeitung, die mehr ist als nur ein Abrufen, ist es sinnvoll, von einem hors-cadre zu sprechen. Es ist die Arbeit mit dem und am Bild in einem Raum, der in diesen Bildern selbst nicht mehr enthalten ist“ (Krautkrämer 2013: 126, Herv. im Original). Der Blick hinter die Kamera ist für Krautkrämer ein Blick auf den Monitor – eine Perspektive, die THE MAKING OF DUNKIRK kategorisch ausschließt.
Wie sehen die Aufnahmen, die aus einer solchen Arbeit am Bild entstehen, konkret aus? Praktisch alle Videos zeigen die DUNKIRK-Dreharbeiten als unübersichtliches Geschehen in größerer Entfernung. Die bevorzugte Einstellungsgröße ist die Totale, gefilmt in der Regel ohne Stativ. Diese Blickposition ist den vielen Absperrungen der Sets geschuldet, die vielfach als hinderliche Barrieren auch direkt gezeigt und angesprochen werden. Die meisten Videos reproduzieren damit die Blickachse eines*r Paparazzos*as, der*die möglichst nah an einem abgeschirmten Geschehen exklusive Bilder zu schießen versucht. In zahlreichen Clips sind direkt neben den Filmenden weitere Schaulustige zu sehen, die hinter Bauzäunen, Big Bags, oder Ordnern in Warnwesten die Dreharbeiten filmen oder fotografieren. (Genau diese Formen von Zuschauerschaft sind in THE MAKING OF DUNKIRK interessanterweise nicht zu sehen). Im direkten Vergleich fehlen in den Making-of-Clips auf YouTube – natürlich – die montierten Vergleiche aus fertiger Filmszene und dem Dreh der Szene, Interviews mit Schauspieler*innen und Filmemacher*innen. Die Clips wirken stattdessen roh und noch unverarbeitet, eher Dokumente als Dokumentarfilme. In der Summe scheinen sie eher einem beobachtenden als einem expositorischen, erklärenden Modus verpflichtet (vgl. Nichols 2010: 167–179).
Das Fehlen von Nahaufnahmen und Interviews ebnet Hierarchien innerhalb der gefilmten Cast- und Crewmitglieder ein Stück weit ein, wenigstens auf der Ebene der Bildkomposition. Zwar suchen die Kameras der Schaulustigen in den Menschengruppen am Filmset vor allem Schauspieler wie Harry Styles, Kenneth Branagh, Cillian Murphy oder den Regisseur Nolan. Ins Bild geraten aber auch jene Crew-Mitglieder, die in den offiziellen Making-ofs nicht zu sehen sind: Mitarbeiter*innen der Baubühne etwa, die die schwere IMAX-Kamera auf Kränen und Dollyschienen über die Mole oder durch die Gassen von Dunkerque wuchten; Beleuchter*innen, die Stative für Scheinwerfer und Flags zum Abschirmen des Sonnenlichts aufbauen; oder lange Kolonnen von Kompars*innen in Uniform, die auf Kommando am Strand in Deckung gehen, Warteschlangen auf der Mole bilden oder in Dorset von den Evakuierungsschiffen an Land gehen.9
Repräsentiert werden in den Making-of-Clips also mehr Gewerke und andere Arbeitsvorgänge als in THE MAKING OF DUNKIRK. Dennoch wäre es vorschnell, hieraus eine dezidiert kritische, gar oppositionelle Repräsentationspolitik abzuleiten. Die Making-of-Videos auf YouTube sind keine Gegen- oder Counter-Making-ofs; eher verbreitern und vervielfältigen sie die zirkulierenden offiziellen Bilder der Filmproduktion, als dass sie ihnen dezidiert widersprechen.10 Der Gestus der Filmenden und ihr Sprechen über die laufende Produktion ähneln stellenweise frappierend dem Diskurs, der auch in THE MAKING OF DUNKIRK geführt wird. Ein gutes Beispiel ist die erste Schrifttafel der Fotocollage DUNKIRK BY CHRISTOPHER NOLAN – BEHIND THE SCENE – DIAPORAMA (hochgeladen vom französischen Kanal AtooX am 26.06.2019):
Außergewöhnliche Zahlen (Fotos, Kaffee, Stunden Schlaf), große Anstrengung, trotzdem eine Menge Spaß: Exakt dasselbe hätte von Angehörigen der Produktion zu Protokoll gegeben werden können. Die Macher*innen der 120 Making-of-Clips begreifen sich nicht selten als Teil eines erweiterten Produktionsumfeldes – zwar unbezahlt und häufig nur als Zaungäste, aber immer noch näher und unmittelbarer am Geschehen als diejenigen, die ihre Videos später im Internet anschauen. Am deutlichsten äußert sich diese Haltung bei Filmemacher*innen, die die Dreharbeiten nicht als Anwohner*innen oder Passant*innen, sondern bewusst als Fans mitverfolgen. Ein französischer Vlogger, der den Kanal HV PROD betreibt, reiste etwa eigens von Marseille nach Dunkerque, versuchte, einen Job als Komparse zu bekommen und berichtete anschließend begeistert, dass er sich im Kostüm eines englischen Offiziers dem Regisseur Nolan bis auf einen (!) Meter nähern durfte. So wird der Autorschaftsdiskurs von THE MAKING OF DUNKIRK weiter fortgeschrieben, sogar in gesteigerter Form.11
Fortgeführt wird im selben Atemzug aber auch eine Zersplitterung der Produktionsansichten, die schon THE MAKING OF DUNKIRK durch seine abgeschlossenen und argumentativ divergierenden Teilkapitel auszeichnet. Beide – das autorisierte THE MAKING OF DUNKIRK und die vielen Making-of-Clips auf YouTube – stellen weiter- und wiederverwertbares Bildmaterial bereit, um Produktionsgeschichten von der Entstehung des Films DUNKIRK zu erzählen (tatsächlich werden auch die offiziellen Making-of-Aufnahmen neu zusammengeschnitten, in eigene Videos eingefügt und auf YouTube und anderswo neu hochgeladen). DUNKIRK führt dadurch ein potenziell unabgeschlossenes, postproduktives Nachleben in digitalen Umgebungen. Doch dies ist nicht die einzige neue Zeitlogik, die von DUNKIRKs mannigfachen Making-ofs angestoßen wird. Ebenso entscheidend ist – und hier gibt es dann doch einen qualitativen Unterschied zwischen dem postkinematografischen Produktionsreenactment THE MAKING OF DUNKIRK und den postkinematografischen Making-of-Clips auf YouTube –, dass die mitgefilmten Clips bereits während der laufenden Dreharbeiten ins Netz gestellt wurden. Bewegtbilder von DUNKIRK konnten online angesehen (und wiederum weiterverarbeitet) werden, noch bevor der Film DUNKIRK überhaupt abgedreht, geschweige denn veröffentlicht wurde. DUNKIRK existiert als Medienphänomen in diesen Videos schon lange vor dem offiziellen Premierendatum. Die Clips mögen nicht in direkter Opposition zu anderen, späteren Behind-the-Scenes-Aufnahmen stehen, dennoch lassen sie sich als deren Aneignung verstehen: als selbstgefilmtes Teilstück der Produktion, in dem sich ein Bruchstück des Films als performatives Spektakel abspielt. Die postproduktive kommt hier vor der profilmischen Wirklichkeit.
Die Nachträglichkeit eines ‚hors-cadre der Weiterverarbeitung‘, wie es Krautkrämer in seinen Ausführungen anhand der künstlerischen Arbeiten von Rabih Mouré und Hito Steyerl durchexerziert, verwandelt sich im Falle von DUNKIRK in eine postproduktive Vorzeitigkeit. Der vormalige Dreischritt aus Präproduktion, Produktion und Postproduktion kehrt sich teilweise um. Denn der Gang in eine vermeintlich profilmische Wirklichkeit vor Ort bedeutet, sich unweigerlich tausenden Kameras auszusetzen, die unentwegt digitale Bilder hervorbringen und sie in endlose Weiterverarbeitungskreisläufe einspeisen. Gleichzeitig verschwindet eine eindeutige Grenze zwischen dem Film und seinem produktionsseitigen Außen. Im Kaleidoskop unzähliger Making-of-Videoschnipsel erscheint DUNKIRK eher als fragmentarisches, performatives Ereignis denn als klar eingegrenztes Werk – eine Tendenz, die in der zersplitterten Einzelkapitelstruktur von THE MAKING OF DUNKIRK bereits angelegt ist und sich in der virtuellen Umgebung von Plattformen wie YouTube ins schier Unendliche fortsetzt. Das, was zum Film ‚gehört‘ und das, was erst im Making-of ins Bild rückt, überlagert und überschneidet sich. Auch die scharfe konzeptuelle Abtrennung eines Raumes der Nachbearbeitung, eines hors-cadre in Krautkrämers Sinne, wird hier zunehmend unmöglich.
Film, egal ob analog oder digital, befindet sich nunmehr im Status einer dauerhaften postkinematografischen „Post/Produktion“ (Linseisen 2019) – zwischen, so soll es der Schrägstrich markieren, Produktion und ihrer kontinuierlichen Weiter- und Nachbearbeitung. Auch DUNKIRK ist damit längst Teil einer kameraübersättigten Medienrealität, die Hito Steyerl (2013) als „Too Much World“ bezeichnet. Jegliche Erfahrung von Wirklichkeit wird in der Too Much World durch bildbearbeitende Mittel, durch die „tools of postproduction“ (ebd.) hervorgebracht, gerade weil – so argumentiert Steyerl – mit der „digital proliferation of all sorts of imagery“ (ebd.) plötzlich viel mehr „Welt“ verfügbar, und damit immer auch: (weiter-)bearbeitbar geworden ist. Diese fluide Situation einer ubiquitären Bildherstellung und -prozessierung setzt auch die Differenzierung zwischen Prä- , Post- und ‚Produktion‘ (im klassischen Sinne: die Dreharbeiten als ‚eigentlicher‘ Herstellungsmoment des Films) außer Kraft. Auch wenn es unter den geschilderten Bedingungen immer schwerer fällt, ein dezidiertes hors-cadre abzugrenzen, möchten wir an dieser Stelle jedoch am Konzept einer in irgendeiner Hinsicht nach- oder vorgelagerten Post- bzw. Post/Produktion von Bildlichkeit festhalten, um gerade mit Hilfe der zeitlichen, qualitativen, räumlichen und mit anderen Bildrelationen und -differenzen auf die Produktivität der hier nachvollziehbaren Ambivalenzen, Widersprüche, Intensivierungen zu verweisen. Dass es hierbei nicht mehr um wertnormative und sich davon abgrenzende Herstellungskontexte handelt, sollte über den Vergleich der vielen DUNKIRK-Making-ofs deutlich werden, über eine Potenzierung der Bilder von und um DUNKIRK: Too Much DUNKIRK.
Atkinson, Sarah (2018) From Film Practices to Data Process. Production Aesthetics and Representational Practices of a Film Industry in Transition. Edinburgh: Edinburgh University Press.
Aumont, Jacques/Bergala, Alain/Marie, Michel/Vernet, Marc (1992) Aesthetics of Film. Translated and revised by Richard Neupert. Austin: University of Texas Press.
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zum Videozusammenschnitt inoffizieller YouTube-Making-ofs zu DUNKIRK
D-DAY VOOR DUNKIRK. YouTube, deStentor, 06.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=aD40VrfK050 [19.02.2020].
DUNKIRK 2017 WEYMOUTH. YouTube, Aaran Guesthouse, 29.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=QTkDB4fZu5I [19.02.2020].
DUNKIRK (2017, DIR CHRISTOPHER NOLAN) FILMING IN WEYMOUTH HARBOUR. (STEADY VERSION). YouTube, Dan Shepperd, 28.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=ipIROwE7pz4 [19.02.2020].
DUNKIRK (2017 DIR, CHRISTOPHER NOLAN)- NIGHT SHOOT IN WEYMOUTH WITH HARRY STYLES AND CILLIAN MURPHY. YouTube, Dan Shepperd, 29.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=9h978eQOxBQ [19.02.2020].
DUNKIRK (2017) - DIRECTORS STAFF. YouTube, diesel59000, 19.07.2017. https://www.youtube.com/watch?v=Yr48JDe0F6E [19.02.2020].
DUNKIRK (2017) MAKING OF - HELICOPTER FILMED AIRPLANE. YouTube, diesel59000, 19.07.2017. https://www.youtube.com/watch?v=uNl5tG-8DAo [19.02.2020].
DUNKIRK - BEHIND THE SCENE - DAY #1, #2 AND #3. YouTube, AtooX, 25.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=a4SPgrwVY58 [19.02.2020].
DUNKIRK - BEHIND THE SCENE - MOVIE BY CHRISTOPHER NOLAN - DAY #5. YouTube, AtooX, 29.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=U4YW6mfS3Zg [19.02.2020].
DUNKIRK - BEHIND THE SCENE - MOVIE BY CHRISTOPHER NOLAN - DAY #13 PART 2. YouTube, Atoox, 08.06.2016. https://www.youtube.com/watch?v=zaZVvcaRVeE [19.02.2020].
DUNKIRK - BEHIND THE SCENE - MOVIE BY CHRISTOPHER NOLAN - DAY #14 PART 2. YouTube, AtooX, 09.06.2016. https://www.youtube.com/watch?v=ZvODpVh6Zqo [19.02.2020].
DUNKIRK - CHRISTOPHER NOLAN - TOURNAGE DU FILM EXPLOSIONS SUR LA PLAGE @DUNKERQUE - LE 27/05/2016. YouTube, patviem, 29.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=ZRn99gB4n-s [19.02.2020].
DUNKIRK - CHRISTOPHER NOLAN - TOURNAGE DU FILM PLAGE MALO-LES-BAINS @DUNKERQUE - LE 26/05/2016. YouTube, patviem, 29.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=sHGf_H0eeMg [19.02.2020].
DUNKIRK - CHRISTOPHER NOLAN - TOURNAGE DU FILM SUR LA PLAGE @DUNKERQUE - LE 27 05 2016. YouTube, patviem, 29.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=JUe9ujG-Cr0 [19.02.2020].
DUNKIRK FILMING IN WEYMOUTH EXTRAS. YouTube, top guy Trev x 78x, 29.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=2miMX4LIzak [19.02.2020].
DUNKIRK FLEET ENTERING PORT OF URK. YouTube, Richard Oost, 11.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=Wdr-IOmX35Q [19.02.2020].
DUNKIRK, MOVIE BY CHRISTOPHER NOLAN - DAY #2. YouTube, AtooX, 24.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=HpmnmHihCeU [19.02.2020].
DUNKIRK MOVIE BY CHRISTOPHER NOLAN - DAY 4. YouTube, AtooX, 26.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=YWAayuXd70Q [19.02.2020].
DUNKIRK - MOVIE BY CHRISTOPHER NOLAN - DAY #23 - BTS. YouTube, AtooX, 23.06.2016. https://www.youtube.com/watch?v=gbnZ7sZxKvE [19.02.2020].
DUNKIRK - WEYMOUTH (DAY 2) - GUNS AND PROPS FOR SOLDIERS. YouTube, Dan Shepperd, 28.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=L3gJjayI5KQ [19.02.2020].
FILM OPNAME VAN DE FILM DUNKIRK OP HET IJSSELMEER. YouTube, ishootpeople Ferry de Kok, 28.06.2016. https://www.youtube.com/watch?v=eBUiCJ1cpAA [19.02.2020].
FILMING OF DUNKIRK IN WEYMOUTH, THE. YouTube, Susan Hogben, 01.08.2016. https://www.youtube.com/watch?v=Bn5pZ9ljCkQ [19.02.2020].
GENERAL VIEWS ON THE SET OF UPCOMING WAR FILM DUNKIRK. YouTube, Splash News, 27.05.2016. https://www.youtube.com/watch?v=Lpil8rJTVRs [19.02.2020].
HARRY STYLES AND CILIAN MURPHY FINAL DAY FILMING DUNKIRK IN WEYMOUTH. YouTube, John Gurd Media, 29.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=nZVnW3o5HDc [19.02.2020].
HARRY STYLES FILMING DUNKIRK. YouTube, OneDirection Updates, 28.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=Dig13Gw8hWM [19.02.2020].
J'AI TOURNÉ POUR CHRISTOPHER NOLAN DANS DUNKERQUE. YouTube, HV PROD, 08.06.2016. https://www.youtube.com/watch?v=GwGKN1CDauQ [19.02.2020].
LC VIDEO: FAMKES NAAR URK VOOR GLIMP VAN HARRY STYLES. YouTube, Leeuwarder Courant, 25.06.2016. https://www.youtube.com/watch?v=Jw8tZ0Pw9GU [19.02.2020].
SHIRTLESS HARRY STYLES ON DUNKIRK SET - URK, THE NETHERLAND 15.07.16. YouTube, FashionFreshEmma, 15.07.2016. https://www.youtube.com/watch?v=Ncn3OBFsoiw [19.02.2020].