Der Begriff der Filmvermittlung bezieht sich auf ein komplexes Feld aus wissenschaftlichen, journalistischen, kuratorischen, pädagogischen und künstlerischen Praxen. Pragmatisch lässt sich dieses Feld in drei unterschiedliche Bereiche gliedern. Neben, erstens, einer Film- und Medienpädagogik oder Filmbildung im engeren Sinne, gehören zur Filmvermittlung, zweitens, alle Formen sekundärer Wissenspraxis, die sich zum Gegenstand Film äußern und Kenntnisse über diesen kommunizieren, oder Film in spezifischen Kontexten zur Anschauung bringen und ein Publikum erreichen. Drittens lässt sich Filmvermittlung auch als eine dem Film inhärente Praxis begreifen. Das bedeutet, Film nicht nur als Artefakt zu verstehen, sondern als einen Diskurs oder als ein Medium der Vermittlung.
Betrachtet man Filmvermittlung in dieser erweiterten Form, dann lässt sie sich weder als nachgeordnete Disziplin der Wissenschaft noch der Pädagogik begreifen. Die unterschiedlichen Praxen der Filmvermittlung liegen vielmehr quer sowohl zu Filmwissenschaft als auch zur Filmpädagogik. Ein solches Verständnis von Filmvermittlung ist womöglich zuerst irritierend, da es etablierte disziplinäre Grenzen in Frage stellt. Der Gewinn des vorgeschlagenen Begriffs von Filmvermittlung liegt aber unseres Erachtens darin, dass er neue Differenzierungen und Selbstverständigungen einfordert. Mit ihm möchten wir nach den spezifischen, den vermittelnden Praxen und Formaten jeweils zugrundeliegenden Vorstellungen von Film, Bildung und Vermittlung fragen.
Die 13. Ausgabe von „Nach dem Film“ trägt diesem Anliegen Rechnung und präsentiert unterschiedliche Ansätze zur Filmvermittlung. Wir baten dazu Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Institutionen (wie Kino, Schule, Hochschule, Museum, Kinemathek, Filmfestival, Filmkritik), ihre Ansätze vorzustellen, zu reflektieren und an Beispielen zu diskutieren. Die dreizehn Beiträge geben Einblicke in die Geschichte der deutschen (und europäischen) Filmvermittlung, die unser Verständnis von Filmkultur bis heute prägt. Diese entstand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts im Kontext der Avantgarde, der Filmclubs und Filmhochschulen, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der politischen Bildungsarbeit von Filmclubs, Filmkritik und kommunalen Kinos und ab den 1970er Jahren auch an der Universität fort. Exemplarisch dafür sind die cinephilen Biografien von Erika und Ulrich Gregor und Heide Schlüpmann, die wir zu Gesprächen über ihre Erfahrungen und Arbeit trafen.
Die kulturelle Filmarbeit hat vielfältige Vermittlungsstrategien des Zeigens und Übersetzens, des Sprechens und Schreibens über Filme hervorgebracht, bei denen lange Zeit der Ort des Kinos und die damit verbundene spezifische, kollektive ebenso wie anonyme Filmerfahrung eine zentrale Rolle spielt. Im Zuge der technischen Entwicklung der letzten vierzig Jahre, insbesondere der Digitalisierung sind weitere Orte des Films und seiner Erfahrung entstanden. Die verstärkte Ausrichtung auf die Schule als Ort der Filmbildung hat der Filmkultur eine weitere Facette hinzugefügt. Die Beiträge diskutieren dementsprechend unterschiedliche Methoden rezeptiver und produktiver Filmvermittlung – vom Kuratieren von Filmprogrammen über den analytischen Vergleich von Filmstills oder Filmsequenzen bis hin zur Produktion dokumentarischer, experimenteller oder filmvermittelnder Filme. Die unterschiedlichen ‚Filmformen‘ – Dokumentarfilm, Spielfilm, Experimentalfilm, Essayfilm, bis hin zur Fernsehserie – bedingen dabei verschiedene Strategien und Potentiale der Filmvermittlung. In einigen Beiträgen geht es insbesondere um die inhärenten Vermittlungsstrategien und theoretischen Dimensionen des Films als Medium des Zeigens. Dabei wird das Vermittlungs- und Bildungspotential gerade an solchen Filmen deutlich, die selbstreflexive Züge tragen und zu theoretischen Überlegungen sowie weiteren Forschungen anregen.
Filmvermittlung verbindet unterschiedliche Disziplinen, Wissensbereiche und kulturelle Felder. Wir haben uns daher entschieden, dies in unterschiedlichen Formaten der Beiträge zu spiegeln: Gesprächsnotizen, Erfahrungsberichte, Filmanalysen, programmatische Anmerkungen sowie historisch oder theoretisch orientierte wissenschaftliche Texte zur Filmvermittlung schaffen einen gemeinsamen und doch heterogenen Denk- und Reflexionsraum.
Wir danken an dieser Stelle allen, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben.
Bettina Henzler, Manuel Zahn und Winfried Pauleit