Einige Überlegungen zur rituellen Funktion des US-amerikanischen Kriegsfilms
Ein berühmtes Foto von Don McCullin: Es zeigt einen Soldaten mit leerem Blick und weit geöffneten Augen; er scheint nicht bei Sinnen, entgeistert, doch nicht wahnsinnig, paralysiert, doch nicht tot. "Shell shocked GI" lautet die Bildunterschrift, so als sei der Granatenblitz nur eine Steigerung fotografischer Belichtungstechnik.
Das Gesicht ist fast zu einer stehenden Phrase des Kriegsjournalismus geworden. Doch kann man seinen Spielarten auch in den Kriegsfilmen Hollywoods begegnen. Es ist der verwunderte Blick Montgomery Clifts in FROM HERE TO ETERNITY (USA 1953) und das Gesicht des amoklaufenden Berserkers in FULL METAL JACKET (USA 1987). Es ist das insistierende Staunen Martin Sheens und die Kälte beherrschter Grausamkeit des Colonel Kurz in APOCALYPSE NOW (USA 1979). Es ist das paralysierte Gesicht von Tom Hanks in SAVING PRIVATE RYAN (USA 1998) und das aufblitzende Selbstbewußtsein Nicks in THE DEER HUNTER (USA 1978). Und immer wieder ist es das Leidensbild des Soldaten, emphatisch herausgestellt und mit den mythischen Zeichen des Opfers versehen, wie in PLATOON (USA 1986) und HAMBURGER HILL (USA 1987).
Man kann dieses Gesicht als ein doppelsinniges Emblem der Imagination des Kriegs verstehen: Einerseits zeigt es die Agonie des Soldaten als Transfiguration einer Opferimago; andererseits – darin liegt das Spezifische des US-amerikanischen Kriegsfilms – wird es zum Zeichen der Vernichtung des höchsten Wertes der amerikanischen, der westlichen Kultur – des individuellen Lebensglücks. Man könnte es die Pathosformel des Kriegsfilms nennen.
Wenn ich bezogen auf dieses Gesicht von ritueller Funktion spreche, dann erhebe ich nicht den Anspruch, die konkrete politisch-gesellschaftliche Bedeutung des Kriegsfilms damit zu erfassen. Als Filmwissenschaftler ist meine Frage zunächst unspezifischer: Der Kriegsfilm Hollywoods dient mir als Beispiel, um nach der Funktion des Bilds vom Leiden des Soldaten in der Ökonomie kultureller Phantasiearbeit zu fragen.
Dabei geht es zunächst um die zwei Stunden Kinoerleben, für die sich ein zahlungsbereites Massenpublikum findet. Die Frage nach der Funktion der Pathosform des Kriegsfilms ist nicht zu trennen von dem Zuschauer und dessen Genießen. Ohne die wiederkehrende Handlung des Kinobesuchs vorschnell dem Begriff des Rituals zuzuordnen, ist doch, was ich vortragen möchte, darum bemüht, den rituellen Aspekt an der profanen ästhetischen Praxis hervorzuheben. Zunächst sind die Aspekte dieses Genießens genauer zu bestimmen und mit der Frage nach dem Ritual zu konfrontieren; im zweiten Schritt ist am Beispiel des klassischen Hollywoodkinos die kulturelle Funktion des Kriegsfilms als Pathosform zu befragen. Im dritten Teil will ich ausgehend von drei aktuellen Kriegsfilmen der Frage nachgehen, auf welche Weise das heutige Hollywood diese kulturelle Funktion vollzieht bzw. reflektiert.
"Es heißt, es soll Krieg geben. Also schnell die Köpfe rasieren, alle verfügbaren Kriegsvideos in der Stadt ausleihen. Bier ranschleppen, Schädel zusammenkrachen lassen und zurück in der Kaserne die geilsten Szenen aus Vietnam-Filmen heraussuchen: Blutbäder und Gewalt und Kriegslist, Vergewaltigung, Töten, Plündern. Denn Antikriegsfilme gibt es nicht: 'Filmbilder von Tod und Schlachten sind Pornografie für den Mann des Militärs; ... ' So fängt in Anthony Swoffords Erinnerung der Kuwait-Krieg an...."1
Kann man von der Pornografie des Kriegsfilms sprechen....? Jedenfalls sei, so wird mit gutem Grund argumentiert, die Erscheinungswelt des Militärs in jedem Element austauschbar mit dem Sexuellen.2 Kriegsfilme setzen unter dem Vorzeichen eines radikalen Antagonismus eine Wahrnehmung ins Bild, der sich alle Erscheinungsweisen der Dingwelt auf archaische Figurationen des Geschlechtlichen reduzieren: hier die technologische Omnipotenz explosionsbereiter Waffengeschütze, dort das Versinken in Schlamm, Blut und Dreck.3
Noch das dramaturgische Schema, welches das eine mit dem anderen verbindet, läßt sich auf eine sexualpsychologische Bedeutung beziehen: im Anfang steht die Inszenierung des realistisch-alltäglichen Körpers jugendlicher Männer, im Scheitelpunkt die Phantasie triumphaler Virilität, die rauschhafte Höhe eines Superichs der Waffengewalt, am Endpunkt steht die Agonie des Soldaten, das Bewußtsein radikaler Verlassenheit.
Der Aufstieg in die Höhe, der Triumph, der Sturz in die Tiefe – man kann dieses dramaturgische Schema auch als Transformationsstufen des Körperbilds einer männlichen Subjektivität beschreiben. Die erste Stufe stellt sich als Initiationsritus dar, die Passage des Individuums vom Kind zum Träger des Symbols vollgültiger Subjektmacht, der Männlichkeit. Die zweite Stufe bezeichnet eben dieses Phantasma uneingeschränkter Subjektmächtigkeit; die dritte Stufe zeigt die Umkehr dieses Verhältnisses: die Erfahrung der Ohnmacht und des Ichverlusts. Ich will dies im folgenden näher ausführen – die erste Ebene ist also das männliche Initiationsritual und das narrative Schema des Kriegsfilms.
Eine Gruppe jugendlicher Männer mit entblößtem Oberkörper bei der Morgenwäsche: Kaum ein Kriegsfilm, der auf die Szenen halbnackter Soldaten verzichtet, die unter improvisierten Duschen und Waschbottichen, in freier Natur ihre Körperlichkeit als alltäglichste Realität ins Bild setzen. Man sieht lachende Gesichter, jugendliche Schönheit, ausgelassene Morgenstimmung. Oder man sieht scherzende, milchgesichtige Jungs, die gerade an der Front eintreffen und dort vor den finster dreinblickenden, wortkargen Männern erschrecken. Am Ende des Films sind sie entweder tot oder wenigstens ebenso schweigsam verschlossen.
Kein Kriegsfilm, dessen Erzählhandlung nicht auf die eine oder andere Weise dieses Schema reproduziert: Sein Held ist der unschuldig-naive Jüngling am Beginn einer tatsächlichen oder imaginären Reise, an deren Ende der reife Mann mit Charakter steht. In der vergleichenden Kulturanthropologie gilt dieses Schema als eines der am weitesten verbreiteten Formen des Rituals – der Initiation. Sie diene der Übertragung des imaginären kindlichen Selbstbilds in ein symbolisch gestütztes Beziehungsgeflecht.4
So beschrieben, läßt sich dieses Schema in vielen Hollywoodfilmen wiederfinden; doch geht es mir nicht um die allgemeine Affinität der klassischen Erzählweise des Hollywoodkinos zum Ritual, sondern um das narrative Schema des Kriegsfilms im Besonderen. Es beschreibt die Anverwandlung des individuellen Selbstbilds an die kulturelle Imagination des Männlichen, an das Militär.
Das Militär wiederum läßt sich durchaus als ein Refugium atavistischer kultureller Praktiken verstehen. Im Drill und in der Kasernierung "konnten sich rituelle Züge von Initiation und Männerbund gleichsam wie auf Eis gelegt inmitten der modernen Gesellschaft erhalten" – schreibt Mario Erdheim und weiter:
"Für den Angehörigen eines melanesischen Stammes, der bei uns Ethnologie betreiben würde, bestünden kaum Zweifel darüber, daß der Militärdienst den Initiationsriten in seiner Gesellschaft entspricht." (Erdheim 1988: 342)
Tatsächlich scheint die militärische Körperschaft neben der religiösen Gemeinschaft in besonderer Weise dazu geeignet, an die Stelle eines individuellen, leibgebundenen Selbstbilds in der offenen Geschlechterspannung eine transzendentale Vaterimago zu setzen: das Corps. Ein Identitätsschema, dessen idealisiertes "Wir" wesentlich auf der Diskriminierung solcher Attribute gründet, die dem organischen Körper, der Frau, der fremden Rasse, der fremden Kultur zugewiesen werden.5 Gegenstand des Kriegsfilms ist diese Imagination des Militärs als einer transzendentalen Körperschaft, als männliches Selbst einer Kultur.
In einem der berühmtesten Kriegsfilme Hollywoods, Fred Zinnemanns FROM HERE TO ETERNITY, einer Verfilmung des gleichnamigen Romans von James Jones (1951), rückt diese Funktion des Militärischen, der Drill als sadistisches Ritual, in den Mittelpunkt der Darstellung: Die Ausnahmesituation der physischen Unterwerfung unter eine fremde unumschränkte Befehlsgewalt fordert als erstes Opfer die Subjektivität und die Wünsche des leibhaften Individuums. Der Film beschreibt die Zurichtung durch das Militär als eine Alchemie, die aus der zivilen Gesellschaft die Kriegsgesellschaft formt. Es bleibt die Figur Burt Lancasters, als die des kriegstüchtigen Offiziers, der den sterbenden Gefreiten ebenso hinter sich zu lassen weiß wie die Frauen.
In FULL METAL JACKET aus dem Jahr 1987 hat Stanley Kubrick dieses Thema wieder aufgenommen: Der erste Teil des Films schildert die Stufen der Ausbildung in einem Lager des Marine Corps, von der ersten Begegnung mit dem Ausbilder bis zu dessen Tod durch einen amoklaufenden Soldaten. Im Drehbuch liest sich die Begrüßung wie folgt:
"Drill Instructor Hartman: If you ladies leave my island, if you survive recruit training... you will be a weapon, you will be a minister of death, praying for war. But until that day you are pukes! Youre the lowest form of life on Earth. You are not even human fucking beings! You are nothing but unorganized grabasstic pieces of amphibian shit! [...] My orders are to weed out all non-hackers who do not pack the gear to serve in my beloved Corps! Do you maggots understand that!" (Kubrick / Herr / Hasford 1987)
Der Film beschreibt die Geburt des Soldaten aus der ritualisierten Gewalt des Drills, einen Prozess, der den von Frauen geborenen organischen Körper verschwinden lässt, um die Geometrie einer militärischen Körperschaft zur Erscheinung zu bringen. Das visuelle Medium dieser Verwandlung ist die Baracke: ein Bildraum streng symmetrischer Spiegelungen, synchroner Handlungen und serieller Anordnungen.
Im Schlafsaal der Rekruten stehen sich in millimetergenau gleichen Abständen zwei Reihen Doppelstockbetten gegenüber, zwei große Doppeltüren begrenzen an den Stirnseiten den Raum; eine führt in den Toilettenraum, in dem wieder zwei Reihen Klosettschüsseln einander gegenüberstehen. Und wenn die Rekruten in blütenreiner Unterwäsche ihren Putzdienst verrichten, dann geschieht auch dies in präziser Zweisamkeit und symmetrischer Verdopplung: Das putzende Paar im Schlafsaal findet sein synchrones Pendant auf dem Klo. Hier wie dort werden Böden gewischt, auf denen niemals Schmutz zu sehen ist.
An die Stelle der "duality of man",6 der Zwiespältigkeit und Zweigeteiltheit des Menschen, tritt die symmetrische Vervielfältigung des Männlichen: "the hard man" und ihm gegenüber die lange Reihe exerzierender Jungs.
Dieser Welt vollkommener Symmetrien, geometrischer Ordnung und klinischer Reinheit steht im zweiten Teil des Films "the world of shit" gegenüber: Im Ausbildungslager gibt es Rasen, Asphalt, geflieste Toiletten, kunstvoll konstruierte Hindernisse und ausschließlich Männer. In Vietnam gibt es das Chaos ungeordneter Formen: Werbetafeln, Großstadtgetriebe, Diebe und vor allem Frauen.7
Der einzige Dreck im Ausbildungscamp ist die physische Realität der Rekruten. In der Figur des Private Pyle ist sie personifiziert: Er ist "the maggot", dick, weich, immer hungrig, debil; er kann nicht klettern und springen und rechts und links nicht auseinanderhalten. Er ist das Baby aller anderen, an dessen Stelle das "Ich" des Marine Corps tritt. Am Ende der Ausbildung ist selbst dieses Kind, das sich so schwer aus der Welt der Mutter lösen ließ: "definitely born again".8 Allerdings mit einer Fehlfunktion, er läuft Amok und tötet erst den Offizier, dann sich selbst: ein Blutbad in kaltem Weiß-Blau, ein Haufen Dreck auf dem blitzblanken Klo.
FULL METAL JACKET beschreibt den Soldaten als Produkt einer rituellen Transformation, die an die Stelle des leibhaften Selbstempfindens die imaginäre Verschmelzung mit einem transzendentalen Körper setzt, dem Corps.
Das "Militär ist eine Illusionsmaschine spezifischer Art, die im wesentlichen das Konstrukt der Männlichkeit produziert"9 – schreibt Erdheim. In diesem illusionären Charakter ist es eng mit dem narrativen Schema der Kriegsfilme verbunden. Dies führt mich zur zweiten Ebene, dem Bild triumphaler Männlichkeit, der Actionphantasie im Kriegsfilm.
Im Kriegsfilm ist der dramaturgische Umschlagspunkt durch die Verschmelzung von organischem Körper und Waffentechnologie bezeichnet. In der rauschhaften Zerstörungsphantasie realisiert sich die Imago uneingeschränkter Selbstmächtigkeit, die Höhe einer triumphalen Omnipotenz. Die Explosion bildet das Grundmotiv des ikonografischen Ornaments dieser Verschmelzung des leibhaften Ich mit den Körpern der anderen, der Landschaft, dem Kriegsgerät.
Dieses Phantasma teilt der Kriegsfilm mit dem Action-Kino. Von RAMBO I (USA 1982) bis TERMINATOR III (USA, DEUTSCHLAND, UK 2003) feiert der Actionfilm das Medium selbst, das Kino als eine entgrenzte Phantasietätigkeit, gleichviel ob dies im Gewand des Science-fiction oder im Dekor des historischen Kriegsfilms geschieht. Inszeniert ist immer das phantasmatische Potential des Kinos, seine Fähigkeit zur Mobilisierung des Wahrnehmungs- und Empfindungsraums der Zuschauer.
In der Illusion der Männlichkeit, der imaginären Verschmelzung des leibhaften Ichs mit einem unverletzbaren Körper, der technologische und organische Elemente in sich vereint, kommt die Imagination des Militärs mit der des Actionkinos überein. Dass diese mediale Mobilisierung der Sinne eng mit der militärischen Mobilisierung des Menschenmaterials verschränkt ist, hat seit Virilios Krieg und Kino die Medientheorie beschäftigt. Sie hat diese Gleichung meist anders herum, zur Seite der Technik hin, aufgelöst und die Identität von Kriegs- und Kinotechnologie zum medientheoretischen Paradigma gemacht.
Tatsächlich scheint der Sachverhalt evident: Der moderne Krieg mache es erforderlich, einen in allen Dimensionen und Richtungen dynamisch sich verändernden Bewegungskomplex vorstellbar, repräsentierbar zu machen. Entstanden sei eine Waffentechnologie, die mit der Wahrnehmungstechnologie eng verschmilzt; das Aufspüren und Projektieren, das Sichtbar- und Vorstellbar-Machen komplexer Bewegungsabläufe wird zu einem unmittelbaren Bestandteil der Zerstörungsmacht. In der Fähigkeit, multiple heterogene Wahrnehmungsräume, die letztlich nur noch mathematisch-abstrakt zu begreifen sind, sinnlich fassbar aufeinander zu beziehen, kommen moderne Kriegstechnologie und Kino überein.
Eben diese sinnliche Fassbarkeit aber ist eine Illusion, und diese Illusion eines Blicks, der die zeit-räumliche Komplexität jedweder Explosion bewältigt, wird im Actionkino zum Grund des ästhetischen Genießens. Die Wirklichkeit dieser Illusion ist nicht durch das medientechnische Apriori, sondern durch ihre kulturelle Funktion zu begreifen. Die Gleichung von Kriegs- und Kinotechnologie bezeichnet nicht mehr, aber auch nicht weniger als das phantasmatische Potenzial des Kinos. Ein Potenzial, das bereits durch die historische Avantgarde emphatisch in der Metaphorik des Kriegs beschrieben wurde.
"Ich bin das Kinoauge. Ich bin ein mechanisches Auge. Ich, die Maschine, zeige euch die Welt so, wie nur ich sie sehen kann. Von heute an und in alle Zukunft befreie ich mich von der menschlichen Unbeweglichkeit. Ich bin in ununterbrochener Bewegung, ich nähere mich Gegenständen und entferne mich von ihnen, ich krieche unter sie, ich klettere auf sie, ich bewege mich neben dem Maul eines galoppierenden Pferdes, ich rase in voller Fahrt in die Menge, ich renne vor angreifenden Soldaten her, ich werfe mich auf den Rücken, ich erhebe mich zusammen mit Flugzeugen, ich steige und falle zusammen mit fallenden und aufsteigenden Körpern."10
Dziga Vertow beschreibt mit diesen Worten die medientechnische Mobilisierung der Wahrnehmung. Die Frage ist allerdings, wie man dieses Potenzial realisiert: ob man es in Beziehung setzt zur faktischen Inkongruenz individueller Wahrnehmung gegenüber der Komplexität der Lebenswelt; oder ob man es als Illusion eines Blicks von der Höhe eines Feldherrnhügels in Szene setzt, dem das Schlachtgetümmel zum genussreichen Schauspiel wird. Hier eben lässt sich zwischen Actionkino und Kriegsfilm deutlich unterscheiden. Der klassische Kriegsfilm Hollywoods jedenfalls handelt von anderen Sichtverhältnissen. Ich komme damit zur dritten Ebene, dem Gesichtskreis des Infanteristen und der melodramatischen Funktion des Kriegsfilms.
Ob bei der Landung in der afrikanischen Wüste, in der Normandie oder in Italien, ob im Pazifikkrieg auf Guadalcanal oder Saipan: Der Protagonist des klassischen Hollywoodkriegsfilms ist der Späh- oder der Stoßtrupp, jener kleinste Truppenteil, der in nächster Nähe zum Kriegsgeschehen als Auge, Ohr und Spürnase operiert. Im selben Maße wie dieser zum Sinnesorgan der militärischen Körperschaft wird, verlieren die einzelnen Soldaten den Überblick. Ihr Tun richtet sich nicht mehr am Handlungsradius des eigenen Körpers, sondern an der Befehlshierarchie aus. Diese Wahrnehmung des Infanteristen, der stets an der Grenze zur Blindheit operiert, ist das audiovisuelle Grundmotiv des klassischen Kriegsfilms. Sei es der unsichtbare Feind, der sich in der Nacht, im Dschungel oder in Tunneln und Höhlen unter der Erde verbirgt, sei es das Chaos des Sperrfeuers, die farbigen Wolken der Rauchbomben, die Blitze der explodierenden Granaten: Der Spähtrupp ist das epische Ich, das zur Gänze in ein Geschehen eingeschlossen ist, ohne dass es je eine Sicht auf dieses Ganze hätte. Der klassische Kriegsfilm Hollywoods handelt weit häufiger von dieser Erfahrung der Blendung als von den Triumphgefühlen des Actionkinos, der Illusion des Überblicks.11
Von den Filmen über den Ersten Weltkrieg bis zu Filmen über Vietnam ist der Kriegsfilm durch zwei grundlegende Darstellungsmuster geprägt: die Dissoziierung des Wahrnehmungsraums in der Darstellung einer buchstäblich berstenden Erde und – damit korrespondierend – ein akustisches Tableau, das die Grenze zwischen Bild und Zuschauer auslöscht und die Zuschauer in den Raum der Darstellung einschließt.
Das beherrschende Thema der Kriegserzählung, die Angst vor dem physischen Tod, verbindet sich in solchen Bildvorstellungen mit dem psychischen Motiv der Panik des Ichverlusts in einer bedrängend amorphen Körperlichkeit. Der undurchdringliche Dschungel, der unsichtbare Feind, die Begegnung mit überdimensionierten Tötungsmaschinen, die sich wie Urzeittiere bewegen, das sind auch die Manifestationen einer unheimlichen oder auch ekelerregenden Lebendigkeit der Materie. Es ist die Ikonografie des Horrorfilms, die in den zerrissenen Körpern der Soldaten hinüberreicht bis in den Horror der Splattermovies.
Die dramaturgische Linie führt vom alltäglichen Körper des Jugendlichen über die Höhe eines illusionären emphatischen Selbstbilds zum Sturz in die Tiefe von Angst und Verlassenheit. So gesehen könnte man von einer melodramatischen Dramaturgie des Kriegsfilms sprechen. Im Melodrama ist es die Frau, die aus der Illusion der Liebe in das Bewußtsein der Verlassenheit stürzt; im Kriegsfilm ist es die Illusion einer omnipotenten Männlichkeit, der der Sturz in die Ohnmacht des Individuums folgt. Der extreme Ausdruck für diese Ohnmacht ist das Bild des zurückgelassenen Soldaten.
Melodramatische Dramaturgie heißt aber auch – ich kann das hier nur thetisch anführen – daß sich der Film im Prozeß der ästhetischen Wahrnehmung als eine affektive Bewegung entfaltet, die der Zuschauer als seine eigene Emotionalität realisiert. Ihm wird der Film in der Zeit seiner Entfaltung zu einem "inneren Objekt", vergleichbar dem Bild eines Erinnerungskomplexes.12 Darin unterscheidet sich der Kriegsfilm als Pathosform vom klassischen Erzählkino. Er zielt auf ein Sentiment, das sich in den Erfahrungsformen des Erinnerns zwischen Trauma und Trauer bewegt.
Bereits oberflächlich betrachtet erweist sich der Kriegsfilm also als eine komplexe Konstruktion, in der sich unterschiedliche Genrestrategien und entsprechend unterschiedliche Aspekte des Genießens der Zuschauer im Kino verbinden. Im klassischen Kriegsfilm ist dieses Genießen ostentativ auf eine außerästhetische Wirklichkeit, auf die Imagination einer kulturellen Identität, auf die Nation und ihre Geschichte bezogen. Dieser Besonderheit möchte ich im zweiten Teil nachgehen.
Was man heute als Kriegsfilm des klassischen Hollywoodkinos begreift, ist erst mit dem Zweiten Weltkrieg entstanden.13 Seine Grundmuster gehen zurück auf den Fronteinsatz der Hollywoodregisseure im propagandistischen Dienst der amerikanischen Streitkräfte. Regisseure wie Frank Capra, John Huston, John Ford, Georg Stevens oder William Wyler arbeiteten während des Kriegs in Dokumentarfilmstaffeln, verwendeten aber das gefilmte Material eben auch in ihren Genrefilmen.14 So entstanden die frühesten Spielfilme über die alliierten Siege auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz gleichsam im selben Zuge wie das Wochenschaumaterial, das die historischen Ereignisse dokumentierte.15 Von Sam Fuller bis Oliver Stone und John Irvin haben die Regisseure immer wieder den Anspruch auf Augenzeugenschaft für sich erhoben. Der klassische Kriegsfilm ist nicht denkbar ohne die betonte Referenz des Bilds auf ein historisches Ereignis, ohne die dokumentarische Funktion von Fotografie und Film.16
Das gilt auch für die 'postmoderne' Variante des Vietnamfilms. Nur sind es hier nicht mehr die Wochenschaubilder, sondern die des Foto- und TV-Journalismus.17 Anläßlich seines Films HAMBURGER HILL benennt John Irvin beispielhaft diese historische Referentialität:
"Ich wollte einen Film über Vietnam machen, weil ich dort war. (...) Ich wollte zeigen, wie es wirklich war. (...) Ich hatte zwei Militärberater. Der eine war Kommandant des Gefechts um Hamburger Hill. Er war für die historisch-strategische Richtigkeit des Films verantwortlich. Für die Kampfhandlungen selbst hatte ich einen (Sergeant) Major, der vor Ort gekämpft hatte und genau wußte, wie es auf dem verdammten Hügel zugegangen war. Ich habe eigentlich nur seine Anweisungen filmisch umgesetzt. Er hat auch die Schauspieler so gedrillt, dass sie wie richtige Soldaten wirkten."(Hölzl / Peipp 1991: 139)
Seit PLATOON und HAMBURGER HILL verzichtet denn auch kaum ein Kriegsfilm auf die Widmung an die tatsächlich gefallenen Soldaten. Doch funktioniert diese referenzielle Beziehung auch umgekehrt. Von Anfang an waren die Dokumentarfilmaufnahmen auf die Kinoillusion bezogen. William Wyler ließ die Soldaten, deren Siegeszug durch Italien er dokumentarisch begleitete, wie die Statisterie eines Historienfilms mit genauen Regieanweisungen zur Morgenwäsche antreten. Und wenn Sam Fuller Dokumentaraufnahmen des zerstörten Deutschlands in die filmische Darstellung einbaut, dann zielt das im Effekt nicht auf die Beglaubigung der Fiktion, sondern auf die fiktionale Aufladung des Dokuments. Die Filme suchen eine Verdichtung der Dokumente zu einem komplexen Erinnerungsbild zu erarbeiten. Sie sind nicht Zeugnisse der Geschichte, sondern Teil der kulturellen Phantasiearbeit an der Imagination des Geschichtlichen.18 Will man den Kriegsfilm als ein Genre des Hollywoodkinos eingrenzen und verstehen, dann zeichnet er sich durch diese Gedächtnisfunktion aus. Er ist "Erinnerungsdichtung"19
Das kinematografische Bild des Kriegs zielt also nicht auf die Authentizität des historischen Faktums. Dass der Kriegsfilm trotzdem diese Referenz selbst dort noch behauptet, wo seine Handlung pure Fiktion ist, liegt in seiner spezifischen Dramaturgie begründet. Sie ist beherrscht von der Monotonie des festgelegten, unabänderlichen Verlaufs, der nicht zu revidieren, weil er längst geschehen ist. (Die Filme von John Irvin sind ein gutes Beispiel, der Topos der erinnerten Reise und das Ritualmotiv ein anderes).
An diesem Punkt überschreitet der Kriegsfilm das Schema der Erzählweise des klassischen Hollywoodfilms: Zwar etabliert er der Handlung nach nicht selten einen jugendlichen Helden, der sich zum leidgeprüften Mann wandelt; doch zielt er damit nicht auf eine psychologische Entwicklungsgeschichte. Für die Figur des Soldaten vollzieht sich der Krieg als ein objektives Geschehen, das einem Willen, einem Gesetz gehorcht, das ihm rätselhaft und verschlossen bleibt. Für ihn ist der Krieg immer ein sinnloses Schlachten, ein undurchdringliches Chaos von Sinneseindrücken. Er ist selbst nur eine Erscheinung dieses Geschehens. Darin entspricht er dem Typus des epischen Helden, wie ihn die bürgerliche Ästhetik an den Kämpfern der "Ilias", dem Urbild aller Erzählformen entwickelt hat, weit eher als den Helden des Action-Films.20
Für den Zuschauer aber werden die Leiden des Helden zum Leidensbild, zu einer Pathosform. Es ist dieser Prozess der Entfaltung eines Leidensbilds, der die Dramaturgie des des Kriegsfilms bestimmt, ein Prozess, der das Bild des alltäglichen Körpers zum Verschwinden und die Transfiguration des Opfers zur Erscheinung bringt.
Das lässt sich bis in das hyperrealistische Design von Ridley Scotts BLACK HAWK DOWN (USA 2001) verfolgen. Der massive Einsatz medialer Illusionierungstechniken zielt auf die Erscheinung des Opferbilds am real leidenden Körper, seinen Gesten, seinen Haltungen, seinen Wunden: Was hier mit den Körpern der jungen Männer geschieht, hat tatsächlich stattgefunden, an diesem bestimmten Ort, in jener präzise datierten Zeit, von Augenzeugen verbürgt, von Nachrichtenmedien aufgezeichnet.21
Deshalb betont der Kriegsfilm den kinematografischen Realitätseffekt; deshalb auch spielt das fotografische Dokument eine zentrale Rolle: Die Verwandlung des Bilddokuments eines individuellen, alltäglichen Körpers in die Pathosformel des Kriegshelden ist der eigentliche Gegenstand der kinematografischen Inszenierung. Die jugendlichen Männer bei der Morgenwäsche sind immer schon Erinnerungsbilder an die Zeit vor dem Verhängnis, an einen Körper vor der Schuld und vor dem Leiden. Der Konflikt, der die Kriegsfilme Hollywoods nach dem zweiten Weltkrieg beherrscht, ist tatsächlich nicht das moralische Für und Wider des Krieges.
"Die besondere Fähigkeit des amerikanischen Kriegsfilms zu dieser Zeit" sei es gewesen, schreibt Georg Seeßlen, "nicht nur ein isoliertes Geschehen an der Front oder die Umsetzung einer bestimmten ideologischen und mythischen Doktrin in kriegerische Aktion abzubilden, sondern die Gesamtheit der militärischen, technologischen und sozialen Beziehungen. Die meisten dieser Filme unternahmen daher zunächst weniger jene gefürchtete Verherrlichung des Krieges als vielmehr den Versuch einer mythischen Zivilisierung. Die Aufgabe dieser und noch vieler anderer Filme war es, das Phänomen des Krieges mit der menschlichen Existenz zu versöhnen."22
Ihr Thema ist die Frage nach der Schuld an den gefallenen Soldaten. Für eine Gesellschaft, deren höchster Wert das Glück des Einzelnen ist, muss die Opferung eben dieses Einzelnen ein nicht auflösbarer Konflikt bleiben. Der moralisch eindeutige und siegreich bestandene "gute Krieg" läßt diesen Konflikt in aller Schärfe hervortreten.
Gerade deshalb aber wird man nicht von Versöhnung sprechen können. Die Filme versuchen vielmehr einen durchaus unversöhnlichen Konflikt in das kulturelle Selbstverständnis zu integrieren. Das berühmteste Zeugnis dieses Bemühens ist der Erfolg des Romans From Here to Eternity. Es zeigt sich aber genauso bei den gemessen würdevollen Gedenkfilmen, die von den langen Tagen der Invasion, den entscheidenden Schlachten um Remagen und Arnheim erzählen; es bestimmt noch die in der Tradition des Westerns und des Krimis stehenden "realistischen" Porträts des amerikanischen Soldaten.
Die Filme Sam Fullers sind beispielhaft für die letzte Variante. Es sind kinematografische Balladen ohne komplexe Handlungsdramaturgien, patriotische Heldengesänge, die vom Überlebenswillen und den übermenschlichen Anstrengungen der G.I.'s erzählen.23
In THE BIG RED ONE (USA 1980) sind es vier Kameraden und ihr väterlicher Anführer, die alle großen Schlachten von der Landung in Afrika über Sizilien der Normandie bis zur Eroberung Deutschlands durchqueren – ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt wird. Die Gruppe wird zur Inkarnation einer magischen Unverletzbarkeit, der man, wo sie auftaucht, mit größter Scheu begegnet: Denn alle, die mit ihnen in den Kampf ziehen, verlieren ihr Leben. Mit jedem Soldaten, der zu ihnen stößt, um im nächsten Waffengang zu fallen, lassen sie die Niederlage weiter hinter sich. Ihr Siegeszug ist buchstäblich vom Tod der anderen getragen. Ihr Überleben ist das Bild einer aussichtslosen Anstrengung, ein Triumph, der die physische, technologische und politische Realität des Krieges überstrahlt und verblassen läßt.
"They did the impossible", heißt es am Ende von MERILL'S MARAUDERS (USA 1962), Fullers berühmtem Film über den Pazifikkrieg. Das ist mehr als nur eine Redewendung. Das Überleben, der Sieg ist ein Wunder, das sich der Magie des Männerbundes verdankt. Doch das Wunder des Sieges wurzelt in einem permanenten Betrug: Der jeweilige Vorgesetzte treibt seine ihm anvertrauten Männer immer weiter voran, indem er sie über die aussichtslose Lage Mal um Mal hinwegtäuscht. Der Befehl zum Himmelfahrtskommando kleidet sich in das Gewand einer Lüge, die aus väterlicher Liebe geschieht. Diese Logik des liebenden Betrugs beherrscht – das ist das Thema des Films – alle Stufen der Befehlshierarchie.
Der mittlere Offizier, der seine Jungs liebt, sie vergeblich zu schützen sucht und sie schließlich doch in den Tod schickt, ist die zentrale Figur zahlloser Kriegsfilme. Sie alle handeln von der Schuld, die derjenige tragen muss, der die Befehle überlebt, denen die anderen buchstäblich am eigenen Leibe Realität verschaffen. Diese dramatische Figuration beschreibt gleichsam die Ursprungskonstellation ideeller Wertschöpfung: Die einzig mögliche Antwort auf die Frage, was denn das Überleben des Einzelnen zu rechtfertigen vermag, dessen Befehle doch ungezählten Soldaten das Leben kostete, kann nur sein, dass es einen höheren Wert als den des physischen Lebens gibt.
Auch der klassische Kriegsfilm handelt – wie das Initiationsritual – von einer zweiten Geburt; einer Vervielfältigung des väterlichen Stammes, der sich dem sexuellen, sterblichen, von Frauen geborenen Körper entgegensetzt. Das Opfer des sterbenden Soldaten ist der physische Grund einer transzendentalen Körperschaft; seine Agonie ist der kritische Übergang, in dem sich eine ideelle Korporation von ihrem materiellen Grund, dem empfindenden, begehrenden, sterblichen Körper ablöst. Auf seine Auslöschung gründet sich der Trupp, der Zug, das Bataillon, die Division, die Armee, die Nation.
Dies weist zugleich auf die Funktion der kinematografischen Darstellung des Kriegs für die kulturelle Phantasiearbeit. Die Erinnerungsdichtung des Kriegsfilms, die Umwandlung des fotografischen Dokuments realer Individuen in eine Pathosform, kann als heroische Verklärung die Identität der Nation, der Rasse, der Kultur beglaubigen. Sie kann aber auch der Vergegenwärtigung eines konstitutiven Wertekonflikts dienen, der mit der Geburt und der Wiedergeburt der Nation, der kulturellen Identität unlösbar verbunden ist. In dieser Spanne bewegt sich der amerikanische Kriegsfilm nach 1945. Und auch der Vietnamfilm unterscheidet sich darin nicht vom Film des Zweiten Weltkriegs.
Man hat oft gesagt, daß sich mit dem Vietnamfilm der klassische Kriegsfilm auflöse, weil der moralische Gegensatz zwischen dem einzelnen Soldaten und der Technokratie des Militärs ins Zentrum trete.24
"Im Grunde erklären diese Filme nichts anderes, mal affirmativ, mal kritisch, als dass die Tugenden und Möglichkeiten des soldatischen Lebens keinen Platz in der technologischen Ordnung des Militärs haben, sondern ausschließlich in der Selbstinszenierung des einzelnen bestehen."25
Doch bei genauerem Hinsehen unterscheiden sich die verratenen und verlassenen Vietnamkrieger nicht so sehr von den Helden, wie sie sich etwa in den Filmen von Sam Fuller finden. Auch diese sind Betrogene; nur ist dieser Betrug dort das Thema einer patriotischen Ballade, hier aber das eines Horrorfilms. Das Zentrum dieser Filme bildet ein Phantasma absoluter Ohnmachtserfahrung, die Angst des in der Wildnis der Feinde Zurückgelassenen.
"Eine Schlüsselszene fast aller Vietnamfilme – heißt es – sei der Hubschrauber, der davonfliegt und einen GI zurücklässt. Auf solcher Erfahrung des Verlassens und des Verlassen-Werdens baut sich die Traumatologie des neuen Kriegsfilms auf...".26
Der zurückgelassene Soldat – bedroht von Marter und Schändung, den extremen Ausdrucksformen körperlicher Unterwerfungs- und Ohnmachtserfahrung – nimmt ein altes Motiv wieder auf, das tatsächlich in die Anfänge der amerikanischen Kultur zurückreicht: die Erzählung der unter die Wilden gefallenen Frau, das Phantasma der puritanischen "Captivity Narrativs". Diese Figuration bildet – ich beziehe mich hier auf Winfried Flucks Funktionsgeschichte des amerikanischen Romans – gemeinsam mit zwei anderen Motiven das Dispositiv kultureller Imagination des Geschichtlichen in der amerikanischen Populärkultur. Es ist dies zum einen das Motiv des Kampfs der Kulturen, der Auseinandersetzung mit der fremden, unzivilisierten Rasse, das auf die Indianerkriege weist; zum anderen das Motiv des Kampfes zwischen Freiheitsstreben und technokratischer Herrschaft im Innern der eigenen Kultur, das mit dem Unabhängigkeitskrieg verbunden ist. Alle drei Motive prägen in besonderer Weise den Kriegsfilm.27
So ist der Topos des Vietnamfilms, der "bittere, von seinen Leuten verratene Krieger, der die Fehler seiner Vorgesetzten erkennt" und ihnen trotzdem dient, keineswegs eine neue Figur; er ist eine Variation des 'frontiersman', des Grenzers, wie er in den Romanen James Fenimore Coopers entsteht. In THE DEER HUNTER von Michael Cimino aus dem Jahr 1979 ist diese Verbindung bereits im Titel explizit.
Der Jäger, der an der Grenze von Wildnis und Zivilisation, zwischen den Wäldern und den Siedlungen, zwischen den eigenen Leuten und der fremden Rasse hin- und hergeht ist die emblematische Figur der Geburt der amerikanischen Nation. Schon bei Cooper – in The Last of the Mohicans – ist die Mythologie dieser Figur mit der Ambivalenz der Schuld und der Trauer, mit dem Tod des eingeborenen Amerikaners verschränkt.28
Auf diese Verschränkung weisen noch die Metamorphosen der Spiegelfiguren so vieler Vietnamfilmhelden zurück. Der haschischrauchende Elias in PLATOON, der todessüchtige Nick in THE DEER HUNTER, der Schrecken verbreitende Colonel Kurtz in APOCALYPSE NOW verkörpern je die Schattenseite der Helden dieser Filme. Ihre physiognomische Verwandlung ist eine Mimikry des Sterbens des eingeborenen Amerikaners, eine Spiegelung der Doppelfigur des Wildtöters und des letzten Mohikaners.
In welcher Weise nun nimmt das gegenwärtige Kino diese Imagination des Geschichtlichen auf und reflektiert sie in den aktuellen Kriegsfilmen?
Seit den 70er Jahren ist der populäre Kriegsfilm fast identisch mit Filmen über den Vietnamkrieg. Erst in den letzten Jahren ist eine Reihe großer Hollywoodproduktionen entstanden, die sich erneut auf den Zweiten Weltkrieg beziehen: SAVING PRIVATE RYAN von Steven Spielberg aus dem Jahr 1998 handelt von den ersten Tage der Invasion in der Normandie; THE THIN RED LINE (USA 1998) von Terrence Malick und WINDTALKERS (USA 2002) von John Woo beziehen sich auf unterschiedliche Etappen des Pazifikkriegs. Der Gedanke liegt nahe, dass diese Hinwendung zum Zweiten Weltkrieg, in dem Amerika nicht nur den Sieg, sondern auch das moralische Recht zur Kriegsführung gewann, politisch motiviert ist. Doch ist den genannten Filmen, im Unterschied etwa zu Produktionen wie PEARL HARBOR (USA 2001) oder WE WERE SOLDIERS (USA / DEUTSCHLAND 2002), gemeinsam, dass sie sich mehr noch als auf den historischen Ort auf die Tradition des klassischen Kriegsfilms, auf die medialen Erinnerungsbilder dieses Kriegs beziehen. Diese Filme thematisieren die Funktion der Imagination des Kriegs für das gegenwärtige kulturelle Selbstbild.
Eine Familie, drei Generationen... Eltern, Kinder, Enkel. Ein Gräberfeld, endlos, von keinem Horizont begrenzt. Die Montage formt die Impression buchstäblicher Zahllosigkeit der Toten. Das Gesicht des Kriegsveteranen: eine Rückblende und dann das große Sterben. Der Lärm der Landungsboote schließt das Publikum bereits in den Bildraum ein, noch bevor die Laderampen aufschlagen und die Infanteristen in den Booten dem feindlichen Feuer preisgeben.
Mit einem Paukenschlag ist das Thema von SAVING PRIVATE RYAN gesetzt: Die ersten Reihen sterben als lebende Schutzschilde, die den Nachfolgenden Schritt für Schritt, Reihe um Reihe das Vorrücken auf den mit Minen und Schutzzäunen bestückten Strand ermöglichen.
In den ersten zwanzig Minuten zieht der Film alle Register audiovisueller Rhetorik, die das Kino für seine Schlachtbeschreibungen entwickelt hat. Eine Montage dissoziierter Raum- und Geräuschperspektiven entfaltet den Raum einer chaotischen Wahrnehmung; die Kamera bewegt sich zwischen diffus zugeordneten Blicken, dicht über- oder unter Wasser, wie ein Schwimmender – oder ein Ertrinkender; mal geblendet vom aufspritzenden Wasser; mal lassen verschmierte Blutspritzer das Objektiv selbst sichtbar werden. Die Szenerie löst sich vom Blick, wird distanziert, wie durch eine Glasscheibe betrachtet. Auch die Geräuschebene setzt sich aus einer vielperspektivischen Impression zusammen, die sich zwischen der Taubheit des ins Wasser stürzenden Soldaten und dem ohrenbetäubenden Lärm von Explosionen bewegt.
Schließlich öffnet sich die Geräuschperspektive auf die Leere eines dumpfen Hallraums; sie wirkt wie die Selbstwahrnehmung körperlicher Innengeräusche, wenn man sich die Ohren zuhält. Tatsächlich ist dieser nach außen sich abschließende Hallraum die erste, klar einem individuellen Körper zuzuordnende Perspektive: Das Schlachtengetümmel wird zu einem inneren Horrorfilm: stumme Schreie, einschlagende unhörbare Schüsse, lautlose Granatenexplosionen, zerfetzte Körper. Man sieht das Gesicht des Protagonisten: a shell shocked face.
Eingeschlossen in den Donner der Geschütze, dann in die Stille dieses fremden Körpers, entfaltet sich für den Zuschauer eine eigentümliche Form der subjektiven Perspektive; er empfindet sich physisch ganz nah dabei und gewahrt sich zugleich in absoluter Distanz als das Gegenüber des traumatisierten Gesichts. Die Kamera simuliert den zersplitternden Blick einer überforderten Wahrnehmung und hält doch die Position des Zuschauers aufrecht. Was den Soldaten nur unter größten Opfern gelingt, ist ihm mühelos möglich: Er durchquert den Raum der chaotischen Wahrnehmung, findet einen ersten Halt, wenn er das Gesicht des Stars, Tom Hanks, mit dem dumpfen Hallraum verbindet. Ein Dialog bahnt sich an; zunächst noch stumm, dann gibt es den ersten Wortwechsel. Nach und nach formiert sich aus dem Horrorszenario eine Handlungsfiguration: "Wie knackt man die Bunkerstellung dort oben". Wenn die Soldaten den Strand überwunden, die Klippen erklommen, die Bunker eingenommen haben, findet sich der Zuschauer im Handlungsraum einer überschaubaren Wirklichkeit, im Raum des klassischen Erzählkinos wieder.
Dieser Wechsel im Erzählmodus ist durch einen genauen Scheitelpunkt markiert: erst in dem Moment, als es gelingt, mit Hilfe eines Spiegels den Feind in den Blick zu bekommen, stabilisiert sich eine eindeutige Erzählperspektive.29 Die Reise ins Innere des Landes, die Landschaft der Normandie, der Spähtrupp mit dem Sonderauftrag, die entscheidende Schlacht, das alles vollzieht sich in Spiegelbildern des klassischen Hollywoodkriegsfilms.
Man versteht, dass die Rückblende eine Erinnerungsbewegung nicht nur in der Fiktion der Figur, sondern auch auf der realen Ebene seiner Zuschauer beschreibt. Was für die Figur die Passage durch ein Trauma ist, hinter dem sich der Raum der Erinnerung öffnet, funktioniert für den Zuschauer als spiegelgleiche Umkehrung der Handlungsfolge des Kriegsfilms. Dort ist die Agonie des Soldaten das letzte Bild, hier ist es an den Anfang gestellt. Im Chaos einer prinzipiell undarstellbaren Katastrophe bildet es die erste Kristallisation eines Sinnzusammenhangs, an die sich nach und nach eine erzählbare Geschichte anlagern kann.
Die gleiche Umkehrung vollzieht sich auch am dramatischen Konflikt: Nicht der Einzelne stirbt für die ideelle Gemeinschaft, sondern der Auftrag, das Leben des Einzelnen zu retten, bringt der gesamten Einheit den Tod. Spielberg scheint mit dieser Fabel den moralischen Konflikt des klassischen Kriegsfilms in einem paradoxen Gleichnis aufzulösen: Das Glück des Einzelnen ist eben der höchste kulturelle Wert, der sich auf den Opfertod unzähliger Einzelner gründet.
Tatsächlich aber kehrt das Gesicht des weinenden Veteranen im Kreis seiner Familie das heroische Pathos des Opfers um in ein sentimentales Erinnerungsbild. Die Schuld dieses Überlebenden besteht einzig darin, dem Auftrag nachträglich Sinn zu geben, für den die anderen starben. Er ist den Toten nichts weiter schuldig, als ein glückliches Leben zu leben. WINDTALKERS aus dem Jahr 2002 beginnt mit einem Prolog, der den Grundkonflikt des klassischen Kriegsfilms darstellt: Joe Enders zwingt seine Männer zum Durchhalten, er ist der einzige, der überlebt. Der Film findet seine Apotheose in einer Szene, die ein anderes Stereotyp zitiert: Der Soldat, der seinen sterbenden Kameraden auf dem Rücken aus dem feindlichen Feuer trägt und dabei den Tod findet. Diesmal ist es der Vorgesetzte, der weiße Amerikaner, der sich opfert und seinem Freund, einem Navajo, das Leben rettet. Ich zitiere aus einer Inhaltsangabe:
"Im Pazifikkrieg werden die Marines Joe Enders (Nicolas Cage) und "Ox" Henderson (Christian Slater) per Geheimbefehl abgestellt, als eine Art Leibwächter für die Funker Ben Yahzee (Adam Beach) und Charlie Whitehorse (Roger Willie) zu fungieren. Die beiden Navajos beherrschen einen speziellen Code, der auf keine Fall in die Hände der Feinde gelangen darf. Die erbitterten Kämpfe um die Insel Saipan schweißen die Männer zusammen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Beschützer der Codesprecher mit einer furchtbaren Frage konfrontiert werden: Würden sie wirklich bis zum Äußersten gehen, um den Code zu schützen."
Der Code, das ist die Sprache der 'native americans', der Navajos. John Woo, der Regisseur, belässt es nicht bei dem Gedankenspiel, dass es die Kultur jener Ureinwohner ist, die der Mythos der Geburt der Nation als untergegangen beschreibt, die nun einen entscheidenden strategischen Vorteil im Kampf gegen die Japaner verschafft. Auch dass der Navajo weit mehr den japanischen Feinden gleicht als seinen weißen Kameraden ist mehr als nur eine anekdotische Pointe.
Nach und nach tritt bei jedem einzelnen amerikanischen Soldaten eine andere nationale Abstimmungslinie hervor. Noch der Kampf gegen die Japaner erscheint schließlich als weitere Etappe der Einverleibung einer fremden Rasse.
Diese Deutung der 'moving frontier' hat in dem Film eine prägnante rhetorische Figur gefunden. Nach jeder Schlacht – gleichsam zum Feierabend – sieht man den dezimierten Trupp bei den Gräbern der soeben Gefallenen: Hier plaudern sie, nachdem alles verscharrt ist, hier ruhen sie aus, hier erhalten sie ihre Auszeichnung, hier geraten sie, verfolgt von den Stimmen der Toten, in Raserei, von hier aus brechen sie auf zur nächsten Schlacht. Man sieht, wie sich die Horde der Männer verwandelt: Aus lebendigen Körpern werden Felder aus Kreuzen und Stahlhelmen – während die Freundschaft zwischen den Männern immer enger wird.
Der Film beschreibt diesen Vorgang in exaltierten Blickwechseln als eine Fusion zwischen den beiden Hauptdarstellern. Wie Antagonist und Protagonist sind deren Gesichter eingeführt: das eine leer, versteinert, die Maske einer an Schuld erstickten Empfindungskraft. Das andere Gesicht, offen, immer lachend, verbindet das Klischee asiatischer Weisheit mit dem der emotionalen Fülle des urstämmigen Menschen. Das eine besitzt alle Empfindungskräfte, die das andere verloren hat. Dieses Duell der zwei Gesichter, das Melodrama zwischen dem eingewanderten und dem eingeborenen Amerikaner, findet seinen Höhepunkt in der finalen Rettungsaktion, mit der sie sich buchstäblich zu einer körperlichen Einheit verbinden.
Sein Gegenstück hat das Melodrama in den Bildern vom Schlachtfeld. Eine höchst mobile Kamera verbindet in rasanter Geschwindigkeit Serien nicht zuzuordnender Blicke mit verschwommenen, in sich bewegten Halbtotalen und verrissenen Schwenks zu einer höchst kunstvollen Landschaft des Krieges. Sie gipfeln in Totalen, die aussehen wie computertechnisch animierte Gemälde im Hightechrealismus. Es sind die Bilder des klassischen Hollywoodkinos, von den Western John Fords bis zu Kriegsepen Sam Fullers, verfremdet durch die rhetorischen Übersteigerungen des gegenwärtigen Actionkinos.
Man könnte sagen, der Film spiegelt den Mythos von der Geburt der Nation in einer melodramatischen Figuration des Kriegsfilms. Anders als bei Spielberg ist es keine verinnerlichende, sondern eine ironische Spiegelung. Sie zielt auf den Modus der Rede vom Krieg, die Erzählung vom Krieg der Rassen, dem Kampf der Kulturen, dem sich ständig verschiebenden Frontverlauf des Fremden. In der Verschmelzung der rhetorischen Elemente von Western und Actionkino mit denen des Melodramas wird diese Front in den Raum des ästhetischen Erlebens der Zuschauer verlegt: Dieser Raum umgreift sein Hören und Sehen, lässt ihn Teil einer kulturellen Fusion werden, die nicht nur Indianer und Japaner erfaßt hat.
Wie lässt sich von der mythischen Rede vom Krieg erzählen, ohne sich ihrer Logik der absoluten Gegensätze zu ergeben: die eigene und die fremde Rasse, der Freund und der Feind, der Sieg der eigenen Kultur und die Niederlage der Barbaren. Foucault hat in seinen Überlegungen zur Geburt der Geschichte die Logik der Rede vom Krieg skizziert. Keine kulturelle Identität, die sich nicht innerhalb dieser Schlachtordnung, nicht durch das Diesseits und Jenseits einer schmalen Linie konstituiert, die den Mann von der Frau, den Freund vom Feind, das Wir von den Fremden trennt.
THE THIN RED LINE von Terrence Malick aus dem Jahr 1998 nimmt diese Rede in einer lyrischen Spiegelung auf: Gleich zu Beginn variiert er ihr Thema: Warum ist noch am Grund der friedvollsten Beziehung Krieg? Warum überall die Spaltung in zwei sich bekämpfende Kräfte? Dort dunkelhäutige Kinder, hier hellhäutige Soldaten; dort farbige Mütter, die ihre Kinder in die Hüfte gestützt vom Strand nach Hause tragen, hier das stahlgraue Kanonenboot, das die Soldaten mitten hinein in das Südseeparadies manövriert.
Der Prolog des Films zeigt eine paradiesische Natur, die wie eine Kathedrale aus Licht eben jenes Leben umfaßt, das die Soldaten hinter sich lassen, wenn sie zu Organen des Armeecorps werden: Deserteure, die mit Kindern spielen, tanzende, schwebende Körper im Wasser, fremde Blicke wundersamer Frauen.30 Das Besondere dieses Films ist die Auflösung der Figuren und der Handlung in ein vielstimmiges Gewebe aus Dialogen und Off-Monologen, Gesichtern und Landschaften. Weder die Stimmen noch die Gesichter, weder die Rede noch die Vorgänge lassen sich durchgehend handlungslogisch zuordnen. Man könnte es als die Impression eines vielfach sich teilenden, faltenden und verstreuenden Empfindens beschreiben, eines sich in Töne und Mimiken, Sätze und Stimmen auffächernden Denkens.31 Es ist die vielstimmige Rede, die sich aus den Kriegsromanen und Reportagen, den Briefen und Kriegstagebüchern erhebt; eine Vision von Gesichtern und Landschaften, in denen die Foto- und Filmdokumente der Kriege des zwanzigsten Jahrhunderts sich spiegeln. Sie fügen sich – mal monologisierend im Off, mal sich dialogisch verzweigend, mal als innerer Monolog einer einzelnen Figur – zu flüchtigen, Ich-haften Figurationen, um sich bald wieder in die Bewegung der Metamorphose des Kamerablicks zu verlieren: ein raumloses Bewegungsbild, von den Gesichtern gegliedert, wie die Ballade vom Versmaß.
Die Soldaten landen im Morgenlicht, sie ziehen ins Innere der Insel, begegnen dem fremden Ureinwohner, der sie nicht sieht und wortlos an ihnen vorüberläuft. Am schwülen Nachmittag treffen sie auf verwesende Leichen, im Abendlicht auf die Verwundeten und Toten des letzten Gefechts. Am nächsten Morgen beginnt die Schlacht.
Wenn sich die Erzählweise von WINDTALKERS auf den historischen Romans Coopers beziehen lässt, dann THE THIN RED LINE auf die philosophische Essayistik Emersons und Thoreaus. Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, die schwelgenden Naturbetrachtungen übersetzten den amerikanischen Transzendentalismus in eine kinematografische Hymne.
"Das wogende Gras (...) wird hier zu einem puren Raum der Erfahrung, wir sehen nichts anderes als endlose Felder OHNE Fortschritt, OHNE Logik, OHNE fixe Perspektive".32
Die Kamera bewegt sich durch die Landschaft der Südseeinsel wie der philosophierende Spaziergänger durch die Wälder von Walden: nur dass sich diese Natur nach und nach als ein Schlachtfeld offenbart.
Doch auch hier bildet nicht die Rede selbst, sondern die Form dieser Rede den Bezugspunkt. Der Film überblendet die lyrische Emphase einer unmittelbaren Schau der göttlichen All-Seele der Natur mit der mythischen Rede vom Krieg. Was so entsteht ist eine kinematografische Vision des Geschichtlichen, die sich für den Zuschauer als ein fassungsloses Staunen ereignet. Ein Staunen, das von Gesicht zu Gesicht übergeht, sich fortsetzt in den vom Wind getriebenen Wolken, dem wogenden Gras, dem Gleiten der Schatten. Es ist die Bewegung des im Blattwerk zersplitternden Lichts, die Bewegung des sich wandelnden Lichtbilds, die sich verbindet mit dem mal schreitenden, mal fließenden Klangteppich der Musik.
Die Idee einer "unmittelbaren Schau der Natur" ist in diesem Film zu einer kinematografischen Form geworden, die im religiösen Pathos eines hymnischen Gesangs das alltägliche Gesicht des Soldaten sichtbar werden läßt. Es wird in den flüchtigen Konfigurationen des Bewegungsbilds als eine Erscheinung eben jener Natur fassbar, die der Drill, die Illusion des Militärs, am Rekruten zum verschwinden brachte. Statt eines 'shell shocked face' sehen wir das ebenso vielzählige wie einmalige, so namenlose, wie besondere, so anonyme wie individuelle Gesicht einer prekär-verletzbaren, leibhaften Empfindsamkeit des "weißen Mannes". Es begegnet selbst als das Gesicht des Fremden, das in Staunen versetzt.
Am Ende, wenn die Kompanie vorbei an den zahllosen Gräbern der Gefallenen zurück auf die Landungsboote zieht, wird noch einmal von dem Fremden gesprochen. Die Stimme, die keinem Erzähler, keiner Figur und keinem Autor gehört, bittet darum, daß sie dessen Gesicht nicht übersehen möge, wenn es ihr begegnet.
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