Der Klimawandel und filmische Poetiken nicht-analoger Zukünfte
Mein Beitrag setzt sich aus vier Teilen zusammen, die jeweils in sich eine noch gründlichere Ausarbeitung verdienen würden. Ich beginne mit einem programmatischen Punkt, der Frage der Historizität des Klimawandels. Damit meine ich nicht seine Geschichte als Verwicklung von Technologie, fossilen Rohstoffen, Kapital und Politik. Ich meine seine Geschichtlichkeit, also, wie wir1 die Zeitformen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft denken und wie wir daraufhin Weisen des Handelns und Herstellens ausrichten. Oder: wie wir sie gerade nicht mehr adäquat denken. Denn eines ist evident: Unser deklaratives Wissen und unser alltägliches, politisches und ökonomisches Handeln klaffen auseinander.
Daran schließt sich die Frage an, welche Formen und Verfahren des poetischen Machens in audiovisuellen Formen zu finden sind, die nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse darstellen und vermitteln, sondern in diese Situation intervenieren, andere Raum-Zeit-Strukturen entwerfen? Der zweite Teil stellt kurze filmanalytisch-methodische Überlegungen vor, wie audiovisuelle Weltentwürfe als in Wahrnehmungsweisen intervenierend gedacht und zugänglich gemacht werden können.2
Drittens will ich versuchen, eine vorläufige Systematik vorzustellen, nach welchen Aspekten filmische Poetiken untersucht werden können, wie sie überkommene Weltbilder unterbrechen und neue Weltentwürfe einer Audiovisualität des Klimawandels modellieren.
Ich werde zuletzt auf NIGHT MOVES (USA 2013) von Kelly Reichardt als einem Beispiel eingehen, dass gerade diese Spannung aus Wissen und Handeln, wirkungslosen Absichten und unbeabsichtigten Wirkungen in den Blick nimmt.
Unser Wissen über die aktuellen und zukünftigen Gefahren durch den Klimawandel – und andere Zerstörungen und Belastungen der Umwelt – ist nicht in ausreichendem Maß in kollektivem Denk- und Verhaltensstrukturen angelangt. Man könnte dies mit Reinhart Kosellecks metahistorischen Überlegungen beschreiben als eine Situation, in der dieser Teil des Erwartungshorizontes, also diese gegenwärtigen Zukünfte, sich noch nicht so in eine Transformation unseres Erfahrungsraumes niedergeschlagen hat, dass wir adäquat darauf hinarbeiten, die zu erwartenden und die unerwarteten Ereignisse der Zukunft zu bewältigen.
Um das Argument in aller Kürze zu entfalten: Für Koselleck besteht Geschichte aus der asymmetrischen Verschränkung aus Erfahrung und Erwartung. Erstere meint die räumlich gedachte Ko-Präsenz der vergegenwärtigten Vergangenheit, der verschiedenen Schichten aus Tradierungen, Erinnerungen, verkörpert in alltäglichen Lebenswelten und abstrahiert in Reflexionen und Begriffen. Letzteres meint die vergegenwärtigte Zukunft als die Linie künftiger aber nicht einsehbarer Erfahrungen (Koselleck 1979: 352-356).
Die Zeitlichkeit von Geschichte ist damit nicht einfach ein Container, in dem Ereignisse schlicht chronologisch ablaufen, sondern ein dynamisches Verhältnis zwischen neu gestifteten Erfahrungen und rekalibrierten Erwartungen. Was Koselleck als Kondition der Neuzeit beschreibt, ist, dass sich nun der Erwartungshorizont zunehmend von den Erfahrungen entfernt, aktiv erschlossen wird und „einen mit der Zeit fortschreitenden Veränderungskoeffizienten [erhält].“ (Ebd.: 362). Die eintreffenden Erfahrungen durchstoßen den Erwartungshorizont in einer Qualität und Frequenz, dass sich der Erfahrungsraum nicht mehr an die Geschwindigkeit der Veränderungen anpassen kann: „Der Erfahrungsraum wurde seitdem nicht mehr durch den Erwartungshorizont umschlossen, die Grenzen des Erfahrungsraumes und der Horizont der Erwartung traten auseinander.“ (Ebd.: 364)
Als historische Sollbruchstelle nennt Koselleck den Begriff des Fortschritts, der diese Differenz zugleich auf sehr einseitige Art benennt und mit hervorgebracht hat (Ebd.: 366). Meine These wäre nun, dass wir an einem Punkt stehen, wo wir dieses Auseinandertreten noch einmal anders benennen und begreifen müssen: Zukunft lässt sich nicht mehr aus Erfahrung ableiten (Ebd.: 367). Und wenn diese Nicht-Ableitbarkeit zur Zeit der Aufklärung noch hieß, dass es eigentlich nur besser werden kann, so ist das aus offensichtlichen Gründen schon länger infrage gestellt. Aber wir müssen uns fragen, ob sich noch einmal etwas ändert, wenn – neben dem „politisch-sozialen“ und „technisch-industriellen“ Befunden (Ebd.: 367) – nun der ‚ökologisch-planetare‘ Befund hinzukommt? Mit Chakrabarty gesprochen:
as humans we presently live in two different kinds of “now-time” (or what they call Jetztzeit in German) simultaneously: in our own awareness of ourselves, the „now“ of human history has become entangled with the long “now” of geological and biological timescales, something that has never happened before in the history of humanity. (Chakrabarty 2021: 7)
Wenn die Albedo des Polareises plötzlich auf einer Stufe steht mit der Frage, ob man Könige enthaupten darf, wird unsere Idee von Geschichte als Zeitmodalität neu aufgestellt. Der Teil der Zukunft, der unsere Erwartungen überschreitet, ist nicht mehr selber als Erwartung greifbar, wie es noch die klassische Utopie war. Und es gibt auch keine alten, bewährten Erwartungen, die dazu taugen, an den neuen Erwartungen abgeglichen zu werden. Vielmehr verschmelzen das erwartbar Unerwartbare in Gegenwart und Zukunft auf absurde Weise.
Müssen wir also nicht mehr von einer Überfülle des Horizonts ausgehen, sondern von einer Leere? Können wir noch erwarten, Erwartungen zu haben? Oder noch einmal anders: Bei Koselleck sind es zunächst die Beschleunigungen der eintreffenden neuen Erfahrungen im Erfahrungsraum, welche den Bezug zwischen Erfahrung und Erwartungen unterwandern. Hier scheint es umgekehrt. Wir wissen, dass die klimatischen Erwartungen nicht mit unseren Erfahrungen korrespondieren werden, aber haben noch keine Begriffe und Erfahrungen dafür, sie gehen noch nicht auf in den Kategorien einer Anthropology of the future (Bryant/Knight 2019).
Wie wird nun die Nicht-Ableitbarkeit selber, die absolute nicht-Analogie zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont zu ihrer eigentlichen Relation? Notwendig sind dann Fiktionen, Erfindungen, intervenierende Zukünfte, die nicht nur die, den Horizont durchschlagenden neuen Erfahrungen verspätet registrieren, sondern diesen Zustand als die neue Struktur von Erfahrung und Erwartung vorausgreifend stiften (Koselleck 1979: 371).
Einer der bisher am häufigsten aufgegriffenen und durchaus kontrovers debattierten Versuche, eine solche Struktur diskursiv zu stiften, ist der Anthropozän-Begriff, der aber an dieser Stelle nicht ausführlich behandelt werden soll.3
Welche Rolle spielen also filmische Bilder in dieser Frage einer Re-Strukturierung des Verhältnisses von Erfahrungsräumen und Erwartungshorizonten? Wenn man Eva Horns und Hannes Bergthallers Thesen zur Rolle der Ästhetik im Anthropozän folgt, dann reicht es nämlich nicht aus, danach zu fragen, wie sie die wissenschaftlichen Fakten und politischen Haltungen und Positionen darstellen und vermitteln, wie sie abstrakte Fragen „denk- und wahrnehmbar machen“ (Horn/Bergthaller 2019: 117) und wie sie mit ihren ‚Botschaften‘ in einem sehr direkten Sinne auf Diskurse, Entscheidungen und Handlungen einwirken wollen, indem sie „‚Bewußtsein schaffen‘ und so ein Gefühl von Dringlichkeit angesichts der ökologischen Krise vermitteln“ (Ebd.) oder indem sie „neue Instrumentarien des Denkens zur Verfügung stellen“ (Ebd.).
Denn das sagt nicht viel aus über den „Befund des Anthropozäns in der Form ästhetischer Darstellung“ (Ebd.: 118, Herv. im Orig.). D.h. Fragen der Wissensvermittlung und der Thematisierung allein geben noch keinen Rückschluss darauf, ob Filme, Serien und Videos nicht doch in ihrer audiovisuellen Logik ein Verhältnis von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont entwerfen, welches ein souveränes Zuschauer*innensubjekt impliziert, das sich in einer stabilen, anthropozentrischen und unendlich großen Welt realisieren kann. So lange wir das Gefühl haben, wenn wir das Kino verlassen, dass wir ein Außen betreten, hat der Film etwas falsch gemacht. Wirklich ‚Außen‘ ist nur das Weltall. Wenn wir ein teures Konsumprodukt sehen, dann haben wir gelernt, immer auch das Geld mitzusehen, dass es gekostet hat. Wir müssen aber den CO2-Abdruck sehen lernen.
Es geht also nicht um Wissen und Botschaften, sondern darum, wie ein Sehen und Hören des Klimawandels in audiovisuellen Formen in unser Sehen und Hören selbst interveniert. Wie kann das aussehen und wie kann man diese Intervention analytisch zeigen?
Um auch zu zeigen, dass diese Veränderung der Wahrnehmungsszenarien über die direkte Frage nach der Darstellung des Klimawandels hinaus geht, wähle ich hierzu ein Beispiel aus dem Bereich der seriellen Naturdokumentationen, ein Ausschnitt aus dem Auftakt der Netflix-Serie OUR PLANET (2019):
Die folgende Abbildung zeigt eine Visualisierung der Annotation dieser kurzen Sequenz, in der einige Basisparameter der Filmanalyse nach einem strukturierten Vokabular eingegeben wurden.4
Von oben nach unten handelt es sich um die Darstellung der Einstellungslängen, der Lautstärke, der Einstellungsgrößen, der Bildhelligkeit (in 4 Abstufungen), der Bewegungsintensität profilmischer Bewegungen (in Stufen 0-3), der dominanten Richtung(en) der profilmischen Bewegungen, der Richtung der Kamerabewegung, der Geschwindigkeit der Kamerabewegungen (in Stufen 0-3) sowie des Kamerawinkels. Dies stellt eine Auswahl der für diese Szene dominant erachteten Spuren aus den ca. 80 Parametern, die in der Ada-Filmontologie vorgeschlagen werden. Die Darstellungsweisen und Reihenfolge der einzelnen Spuren ist variabel anpassbar.
Wenn man nun einige ausgewählte Spuren genauer betrachtet, nämlich die Bewegungsrichtungen im Bild und die Bewegung der Kamera, dann wird auf Basis der Annotationen sichtbar, was einem auch beim Sehen sofort auffällt: Wie der Vektor einer, über verschiedene Spezies und Habitate hinweg stabilen, Bewegung unterbrochen wird. Die Episode beginnt mit der Zeitrafferaufnahme eines in Morgendämmerung übergehenden Sternenhimmels vor einer zerklüfteten Gebirgssilhouette, sie fängt also mit einem Gefühl für das Anfangen an und dann geht aus einer Schwarmbewegung von leuchtend gelb-blauen Fischen als einem den gesamten Bildraum erfassenden Impuls eine konstante Bewegung hervor. Dieser Vektor verläuft ganz der westlichen Leserichtung folgend im Bild von links nach rechts, sowohl als Bewegung im Bild (rot umrandet: DominantMovementDirection) als auch als Bewegung des Bildes, als Kamerabewegung (blau umrandet: CameraMovementDirection). Sowohl im winzigen Detail des Kolibris als auch in den Weiten des Eises und der Steppe (grün umrandet: FieldSize).
Durch die Musik und die Anpassung der Geschwindigkeiten und Rhythmen über verschiedene Stufen der Verlangsamung, der diesem Serienformat inzwischen dominanten Tendenz zur permanenten Verwendung leichter Zeitlupen folgend, entsteht weniger ein Bild einzelner, zusammenpassender Fortbewegungen als vielmehr das Bild einer Bewegung, die alles Lebendige umfasst und vereint, über alle Kontraste der Farbe, der Form und Größe hinweg: „the stability of nature“.
Und dann: Bruch, Abbruch, Einbruch. Das Krachen des Eises übertönt die Musik, die für einen Moment weniger Erhaben als Schrill erklingt und die Struktur des Bildes, sein Bewegungseindruck ist ein ganz anderer, löst den stabilen Vektor auf, entgleitet, verteilt sich (schwarz umrandet).
Die Einstellungen danach nehmen diese Störung auf. Wieder tritt eine Schwarmbewegung auf, die aber nicht sofort in einen neuen Vektor mündet, sondern zunächst in zwei gegenläufige Bewegungen, an deren Ende aber erneut ein souveräner, stabiler Blick von oben auf satt grüne tropische Landschaften erfolgt.
Man könnte jetzt kritisieren, dass diese Stabilität der Weltprojektion – und damit des weißen, männlichen, westlichen Blickes, verkörpert durch die Stimme David Attenboroughs – wieder eingeführt wird. Aber wenn man diese Episode als Ganzes und auch die weiteren Episoden dieser Serie betrachtet, dann erkannt man im Gegensatz zu früheren Vertretern dieses Genres, wie der PLANET EARTH-Serien der BBC (2006 und 2016), die alle verbalen Hinweise auf ökologische Krisen stets mit Bildern des Erhabenen, Unberührten, und Weitentfernten unterlegen, einen wiederkehrenden Rhythmus, in dem dieser Wechsel aus Bewegung und Unterbrechung, aus Destabilisierung und Restabilisierung zu einem permanenten Modus audiovisueller Wahrnehmung wird.
Ziel einer qualitativ-empirischen Beschreibung der Audiovisualität des Klimawandels in diversen Formaten und Genres wird es sein, ähnliche Strukturen der intervenierenden Unterbrechung, des Neuentwerfens der Vektoren und Horizonte einer planetarischen Ökologie in den Blick zu nehmen. Wie also intervenieren filmische Weltentwürfe in unsere verkörperten Vorstellungen von Mensch und Erde, von Technik und Natur? Dabei lassen sich verschiedene Ansätze zu den Herausforderungen einer Ästhetik des Anthropozäns als Grundlagen für ein solches System anführen. Horn und Bergthaller z.B. benennen hier zunächst drei fundamentale Form- und Darstellungsprobleme:
Latenz als ein Entzug der Wahrnehmbarkeit und Darstellbarkeit; Verstrickung (entanglement) als Struktur eines neuen Bewusstseins von Ko-Existenz und Immanenz; und das Aufeinandertreffen inkompatibler Größenmaßstäbe, ein „clash of scales“ (Clark 2015). (Horn/Bergthaller 2019: 126)
Yusoff und Gabrys (2011) stellen mit dem dystopischen Szenario, der Darstellung von lokalen Anpassungsprozessen und einer neuen Kultur des Austauschs von Wissenschaft und Künsten ebenfalls drei Formen der Imagination des Anthropozäns vor, während David Farrier Tiefenzeitlichkeit, Relationalität und „kin-making“ als systematische Zugänge zu einer Anthropocene Poetics (Farrier 2019) entwickelt. Demgegenüber beharrt T.J. Demos darauf, dass nicht nur bestimmte ästhetische Verfahren zu entwickeln wären, sondern dass das Verhältnis des ästhetischen Genießens zum politischen Handeln neu zu transformieren sei: Dies betrifft erstens „the negation of conventional art’s commodity function, targeting art’s institutionalized and consequent depolitization“ (Demos 2020: 19), zweitens „opening up new worldings of justice-based ecologies“ (Ebd.: 20) sowie drittens die Beobachtung dass „the current and ongoing structural transformation of artistic practice – particularly in relation to climate justice politics – is happening most dramatically beyond art’s conventional institutions, within social movements.“ (Ebd.: 21)
Am anderen Ende des Spektrums möglicher Systematisierungen befinden sich einfache thematische Taxonomien, die nach den Clustern dargestellter Szenarien fragen, also Fluten und andere extreme Wetterereignisse, neue Eiszeiten, Polkappenschmelze, Dürre und Hungersnöte sowie ‚Preclima(c)tic Stress disorder‘ (Svoboda 2016).
Die folgende Auflistung versteht sich als heuristische Systematisierung basierend auf diesen Vorschlägen sowie einer Reihe an vorläufigen Beobachtungen an einem Korpus an Filmen der letzten ca. 20 Jahre, von Hollywood-Produktion wie THE DAY AFTER TOMORROW (USA 2004) über international distribuierte Dokumentar- und Essayfilme wie BEFORE THE FLOOD (USA 2016) oder Le SYNDROME DE TITANIC (F 2009) bis zu indigenen Videoproduktionen wie INUIT KNOWLEDGE AND CLIMATE CHANGE (CAN 2010). Diese Modi sind nicht als ein strenges taxonomisches Modell entworfen. Sie werden eher als bewegliches Arrangement behandelt, das sich eben vor allem dadurch eignet, dass es sich quer zu den oben genannten Dimensionen ästhetischer Verfahren verhält und sich auch quer zu den verschiedenen Genres, Formaten und Medientechniken verorten lässt, in denen eine Audiovisualität des Klimawandels hergestellt wird.
Die Eröffnung von OUR PLANET ist ein Beispiel für einen ersten wiederkehrenden Modus der Intervention in filmischen Bildern. Es ist kein Zufall, dass die Polarregionen und die Gletscher beliebte Topoi sind, um die Destabilisierung konkreter Umwelten als Destabilisierungen der Koordinaten unserer Wahrnehmung zu gestalten. Zum einen sind sie faktisch von einer bereits viel umfassenderen Erwärmung des lokalen Klimas betroffen. Zum anderen ist aber auch das Zerfallen der Eismassen immer auch ein Halt-Verlieren unseres verkörperten Sehens und Hörens. Das Gletscherkalben, auf das CHASING ICE (USA 2012) seinen Klimax hin aufbaut, überfordert das sorgfältig vorbereitete Setup der Kameras, die zunächst hektisch zoomen und rekadrieren und dann immer wieder versuchen, durch Heranschnitte dem extrem weiten, extrem großen Ereignis eine Physiognomie, einen Maßstab abzugewinnen, und dabei doch immer wieder nur in abstrakte Figurationen des Zerberstens und Zerbröselns von weißen, hellgrauen und graublauen Massen abgleiten, während auf der Tonspur das dumpfe Grollen der im Eis waltenden Kräfte erklingt.
Aber auch Hitze und Trockenheit können sich als elementare Medialität auf das filmische Material durchschlagen, wenn die Empfindlichkeit des Sehvermögens nicht mit der Intensität des neuen Klimas mitzuhalten scheint. Die Außenszenen bei Tag des adäquat doppeldeutig betitelten HELL (Tim Fehlbaum, D/CH 2011) sind konsequent überbelichtet und wechseln sich dabei mit ebenso konsequent verdunkelten und beinahe farblosen Kammerspielsequenzen ab.
Ein weiterer Modus ist die eskalierende Steigerung von Dynamiken. Der Erwartungshorizont als schwarzes Loch, das alles verschlingt. Als großer Umschlag und Zusammenbruch oder als Pointillismus akkumulierender Desaster: Die tipping points und feedback loops des Klimas finden ihr Bild immer wieder in der Steigerungslogik der Montage-Sequenzen aktivistischer Dokumentarfilme: anschwellende Musik, beschleunigende Schnittfrequenzen und ansteigende Intensität der Kontraste. Ihr Pendant sind die expressiven und narrativen Grundbausteine des Klima-Katastrophenfilms, allen voran Roland Emmerichs THE DAY AFTER TOMORROW (USA 2004).
Dieser Erfahrung der Zuspitzung und des Umschlagens steht dann aber auch die gegenläufige Tendenz gegenüber, da wo die Affektdramaturgie sich ganz der Akzeptanz und Melancholie hingibt wie in ANOTHER EARTH (USA 2011) oder MELANCHOLIA (DK u.a. 2011) oder auf ein ambivalentes Wiedererlangen von Handlungsmacht zielt, wie etwa der Flug über die ruinierten Landschaften des Anthropozäns in FIRST REFORMED (USA 2017).
Ein Begriff, der in letzter Zeit im Rahmen des Anthropozän-Diskurses immer häufiger ins Spiel gebracht wird, und der auch von Horn und Bergthaller (2019: 176-212) besonders in den Fokus gestellt wird, ist die Skalierung bzw. die Skalenkritik (Clark 2012, Woods 2014, Dürbeck/Hüpkes 2022). Das zentrale Argument ist dabei, dass sich die benennbaren und wahrnehmbaren Ursachen des Klimawandels nur auf einem Maßstab als ursächlich zeigen, der eben nicht mehr einer individuellen alltäglichen Wahrnehmung zugänglich ist: „In fact, your own personal emissions are probably statistically meaningless. But billions of them are exactly what is causing global warming.” (Morton 2018: xxvii)
Und das eigentliche Problem ist, dass sich dies nicht einfach durch Addition oder stufenlose Maßstabsvergrößerung, den einfachen Zoom vom Detail auf das ‚bigger picture‘ ergibt. Man kann so etwas wie individuelle agency nicht auf die Spezies homo sapiens und schon gar nicht auf die komplexe Verflechtung von Menschen, Technologien, Materialien und Ökonomien linear hochskalieren. Denn ‚ich als Mensch‘ ist nicht identisch mit dem ‚ich als Teil der Gattung Mensch‘ und auch nicht identisch mit dem ‚ich als Bewohner*in der weißen, westlichen, kapitalistischen Welt.‘
The subject of the Anthropocene is not an individual or species-based ‚intelligence’ that, without mutation, projects across scales to shape the matter of the Earth. […] By contrast, scale critique shows that the subject of the Anthropocene is not the human species but modern terraforming assemblages. (Woods 2014: 138)
Audiovisuelle Bilder können ein Gefühl und ein Verständnis für die Absurdität hervorbringen, z.B., wenn wir nicht mehr wissen, ob wir jetzt nah dran oder weit weg sind, oben oder unten, im Naturschönen oder in den Überresten brutaler Zerstörung (Fay 2022).
Mit welchen Mustern werden Interferenzen von lokalen und globalen Prozessen, Mikro- und Makrostrukturen, Individualitäten und Systemen, Prozessualität und Latenz, Ereignishaftigkeit und longue durée inszeniert? Wie werden die widersprüchlichen und widerstreitenden Dimensionen der vielen Welten auf einer Erde zu einem Denken des Planetarischen, zu einem planetarischen Denken (Oliver 2015)? Die ästhetischen Verfahren eines solchen Zusammenpralls unterschiedlicher räumlicher und temporaler Skalen sind extrem variabel: Die Eröffnung von 2040 (AUS 2019) reimaginiert ein ordinäres Einfamilienhaus als planetarischen ‚oikos‘ und miniaturisiert dabei die problematischen Strukturen spielerisch, statt einen Blick auf das Globale zu simulieren (und riskiert dabei potentiell, die Dringlichkeit herunterzuspielen). Die dramaturgische Anordnung in THULETUVALU (SUI 2014) dagegen alterniert zwischen den betroffenen Gemeinschaften Grönlands und den Inselnationen des Südpazifiks, gibt uns ein Gefühl dafür, dass das Eis, das in den Polarregionen schmilzt, in der Südsee als Meeresspiegel steigt, und lässt die Skalen in den Schnittstellen, in der Imagination der Zuschauer*innen aufeinanderprallen.
Der Klimawandel zeichnet sich durch eine komplexe Interaktion von Nachwirkungen längst vergangener, aktueller und möglicher zukünftiger Tätigkeiten und Prozesse sowie durch unvorhersehbare feedback-Phänomene aus:
The massive increase in carbon dioxide, methane, and nitrate emissions into the atmosphere from industrialized agriculture, mineral extraction, petroleum-driven production, and globalized shipping/transportation networks has outpaced all other rhythms of life. Yet the Great Acceleration is best understood through immersion in many small and situated rhythms. Big Stories take their form from seemingly minor contingencies, asymmetrical encounters, and moments of indeterminacy. (Gan/Tsing/Swanson/Bubandt 2017: G5)
Welche Zeitmodalitäten und Rhythmen interagieren hier oder müssen gar neu erfunden werden? Dies betrifft nicht nur die Frage einer Ent- oder Beschleunigung technologischer und sozio-kultureller Prozesse sondern auch das Zusammenspiel von anthropogenen Umwelteinflüssen und Organismen: So sind die extrem schnellen Mutationen des Organischen in ANNIHILATION (USA 2018) auch ein Bild dafür, dass wir mit der Illusion brechen müssen, dass die Evolution der biologischen Verfasstheit unserer Umwelt unendlich langsam und unabhängig von den Beschleunigungen menschlicher Geschichte verläuft (Thompson 2013).
Wie wird in den Filmen gezeigt, dass sich lineare Kausalitäten oder Fortschrittsmodelle der Technoutopie und systemische Zirkularität der Ökologie stören? Wie werden intervenierende Vergangenheiten und Zukünfte audiovisuell denkbar gemacht? Wie schaffen wir es wahrzunehmen, dass Science-Fiction-Szenarien wie TENET (USA/UK 2020), in denen sich die Gegenwart einem Angriff durch die Zukunft ausgesetzt sieht, eine ganz und gar buchstäbliche Beschreibung der Situation darstellen? Diese nicht-chronologischen Kausalitäten werden schließlich in Filmen wie TAKE SHELTER (USA 2011) auch als psychologische Verfassung der Gegenwart diagnostiziert, wenn der Erwartungshorizont der zukünftigen Klimatraumata sich bereits im Jetzt als stress disorder auswirkt (Kaplan 2016, Richardson 2018).
Eine Veränderung hin zu pluralen und non-linearen Zeitmodalitäten von Geschichte hat aber auch zur Konsequenz, dass die Grenzen der Teilhabe an der geschichtlichen Zeit neu gezogen werden müssen. Filmische Bilder stehen vor der Herausforderung, neue bio- oder ökozentrische Welten zu entwerfen. Wie ist die Herstellung eines kollektiven Subjekts der teilhabenden Verantwortung für artübergreifende Verbundenheit denkbar? Der aktivistische Dokumentarfilm AWAKE – A DREAM FROM STANDING ROCK (USA 2017) verwebt die Darstellung von Widerstand und Protest mit künstlerischen Performances einerseits und mit Mediationen über indigene Epistemologien des Animismus andererseits (Vgl. Conty 2022).
ALBATROSS (USA 2017) macht den Versuch, entgegen der Gewohnheiten der seriellen Naturdokumentationen nicht von Habitat zu Habitat springen, sondern verbringt knappe 100 Minuten mit einer einzigen Spezies und ihrer Bedrohung durch menschliche Umwelteinflüsse und vermeidet bei aller Intimität und Stilisierung durch Zeitlupen und musikalische Begleitung jegliche Form von Kitsch und Anthropomorphisierung, sondern zeigt uns immer wieder buchstäblich das Innere dieser Tiere, wo er das Anthropozän findet: als Plastikmüll.
Können die Filme, Videos und Serien also eine Art Sympoiesis nach Donna Haraway (2016) oder Perspektivismus à la Viveiros de Castro (2019) entwerfen, Verfahren der Welterzeugung hervorbringen, die völlig neue Mannigfaltigkeiten von Standpunkten erfahrbar machen? Wie können wir die Erfahrungsräume indigener Kulturen, bei denen das Ende der Welt schon mit Beginn der Kolonisierung angefangen hat (Yussof 2018: xii, Danowski/Viveiros de Castro 2019), sowie anderer Existenzweisen, Kreaturen und Landschaften zur Grundlage unseres Verhältnisses zur Zukunft machen? Der belgische Film LA CINQUIÈME SAISON (BEL 2012) macht uns die Verflechtungen von Menschen, Tieren, Technologien, Landschaften durch ein fiktionales Szenario spürbar, in dem eine unerklärte Aufkündigung eines für selbstverständlich genommenen Vertrags vonseiten dessen erfolgt, was man als ‚Natur‘ für beherrscht glaubt (Vgl. Koutsourakis 2017): Der Frühling kommt nicht, die Saaten wollen nicht aufgehen, die Bienen verweigern den Dienst. Der ökologische Erwartungshorizont dieser Kulturlandschaft verschwindet in einer prägnanten Einstellung fast vollständig aus dem Kader.
Neben den zeitlichen und räumlichen Skalierungen ist auch die verteilte, diffuse Verursachung und damit Verantwortung ein Problem in der Sicht- und Hörbarmachung des Klimawandels. Denn keine einzelne Tätigkeit kann als kausal festgemacht werden: Individuelle Handlungen lassen sich nicht linear zur Handlung der menschlichen Spezies oder der westlichen Gesellschaften als Gesamtheit fixieren. In HOW TO LET GO OF THE WORLD AND LOVE ALL THE THINGS CLIMATE CAN'T CHANGE (USA 2016) zeigt uns eine Szene, in der das Bild zu Beginn selber ‚Atemschwierigkeiten‘ bekommt, wie der Smog in Peking dazu führt, dass die Einwohner*innen die Fenster geschlossen halten und die Klimaanlagen anschalten und dass sie mit dem Auto selbst kürzeste Strecken zurücklegen – womit sie selber jenes Problem verursachen bzw. verstärken, das sie überhaupt erst zu diesem Verhalten zwingt.
Welche Darstellungsweisen erfassen die Absurdität der Verschaltung individueller und kollektiver Tätigkeiten? Wie gehen Filme mit diesem Unheimlichwerden von Handlungsmacht um?
Dieser letzte Punkt führt mich nun zu NIGHT MOVES, der die Darstellung von radikalem Umweltaktivismus bzw. Terrorismus zur Allegorie für Verkettungen ungewollter Konsequenzen und für die Fragilität eines Sinns für die gemeinsam geteilte Wirklichkeit macht.
Denn dies ist so etwas wie das gemeinsame Telos dieser sechs Modi, nämlich dass sie alle – von der Fiktion zu den direkten aktivistischen Handlungsaufrufen – auf den Erwartungshorizont einer anderen Gemeinschaftlichkeit zielen. Besonders die zwischen Wissensvermittlung und Propaganda oszillierenden Filme wie An INCONVENIENT TRUTH (USA 2006) oder THE AGE OF STUPID avisieren eine gemeinsam geteilte Weltwahrnehmung der Zuschauer*innen:
Wichtig ist dabei, dass es sich bei der Weckung eines Sinns für globale Verantwortung nicht einfach um Appelle an individualpsychologische Einstellungen handelt. Die Filme arbeiten an der Konstitution einer Subjektposition, die sich zu Verantwortungsbereichen und Handlungsdispositionen als zugehörig verhält, deren zeitliche und räumliche Dimensionen die eigenen Lebensbereiche und -dauern weit übersteigen. (Grotkopp 2017: 324-325).
NIGHT MOVES zeigt nun, dass dies auch schief gehen kann. Aber nicht als post-apokalyptisches Szenario, sondern als ein Heist Film, in dem der Koffer mit Juwelen oder der Safe voller Geld ersetzt wird durch eine diffuse Absicht, ‚die Leute zum Denken zu bringen.‘
Auf der narrativen Ebene sind die unbeabsichtigten Konsequenzen eindeutig: der Tod eines Unschuldigen als Folge des Gewaltakts. Auf der ästhetischen Ebene aber zeigt sich die ganze Welt als unerträgliche Spannung zwischen einer alles umspannenden Konsumkultur einerseits, die auch Natur als ein Produkt zurichtet und ihre allgegenwärtigen Folgen nicht wahrnimmt, und einem Umweltbewusstsein andererseits, dass sich scheinbar immer nur in der Abkehr und in der kleinen Geste zur Geltung bringen kann und gerade seine Inkonsequenz beklagt. Eine Welt, in der das Nichts-Tun und das Etwas-Tun gleichermaßen heimgesucht werden, von einem Off der ungewollten Effekte und des ineffektiven Wollens.
Aus dieser Spannung und affektiven Blockade heraus folgt der Wille zum Gewaltakt, die Sprengung des Dammes, die in der Genese gezeigt wird als ein gemeinsames Handeln, das die Isolation und Paralyse der individuellen Figuren aufhebt und zu einem utopischen Genießen des kollektiven Tuns wird. Schweigend und methodisch, wie die Einbrecher in DU RIFIFI CHEZ LES HOMMES (F 1955), machen sie sich ans Werk. Aber der Moment der Explosion selber wird nicht im Bild sichtbar. Er ist nur im Off-Screen hörbar (begleitet vom atemlosen Keuchen der Figuren, was die den Film auch durchziehende psychosexuelle Dimension unterstreicht) und hallt als Frage nach den gewollten und ungewollten, den akzeptablen und den unverzeihlichen Folgen durch den Film, markiert zugleich den Höhepunkt und das Ende einer gemeinsamen Herstellung der Welt für die Figuren.
Die häufig durch Rahmungen, Statik und Umfassung der Figuren betonte Begrenzung des Bildes produziert einerseits ein Bild der Vergemeinschaftung dieser drei Figuren. Aber sie führt andererseits zu einer extrem starken Präsenz des Off-Screen, sie macht die Grenzen dieser partikularen Gemeinschaft schmerzhaft spürbar. Und sie macht die Grenzen der Kontrolle des eigenen Handelns deutlich. So wie die Emissionen, die es kostet, im Winter Erdbeeren aus Chile zu kaufen, nicht im Supermarkt sichtbar sind, sondern irgendwo im Off wirken.
Gegen Ende, als die drei Figuren in Misstrauen und Paranoia aufgehen, wandelt sich dann auch einmal das Klima des Films selbst: es wird heiß und stickig.
Die letzte Einstellung zeigt den Outdoor-Supermarkt als POV-Einstellung im Parabolspiegel. Die Antithese zu so etwas wie einem authentischen Naturerlebnis, eine in sich gekrümmte Welt, die ihr Off-Screen endgültig nicht mehr wahrhaben, nicht mehr wahrnehmen will. Eine Welt aus der die Figur sich ausgeschlossen fühlt und aus der sie zugleich nicht entkommen kann.
Durch die Mischung aus präziser Beobachtung und allegorischer Wendung weigert sich der Film, als Handlungsanweisung oder als Anklage einfach lesbar oder instrumentalisierbar zu werden. Wenn man den Film als Heist Film ernst nimmt und der These folgt, dass es in jenem Genre gar nicht um Verbrechen geht, sondern um die Paradoxien des Kunstschaffens in einem populären Medium (Lee 2014), dann liegt die Argumentation nahe, dass NIGHT MOVES nicht von radikalem Aktivismus und seinen Gründen und Zielen erzählt, sondern ein Wahrnehmungsszenario der Pathologien des Handelns und Nicht-Handelns in der westlichen Konsumkultur entfaltet und spürbar macht. Der Film sagt nicht, was zu tun oder zu lassen ist, stattdessen geht es um ein aus diesem Wahrnehmungsszenario hervorgehendes Gefühl für die Widersprüche und für die qualitativen Sprünge in der Skalierung von individueller Handlung und dem Zielen auf ein planetarisches Ganzes. Ein Gefühl für die gleichzeitige drängende Notwendigkeit danach zu fragen „Was tun?“ und für die bedrängende Unmöglichkeit, sich dafür auf bisherige Erfahrungen zu verlassen. Ein Gefühl für das Leben ohne Erwartungshorizont.
Diese Erkennntis, dass die menschliche Geschichte plötzlich überall und nirgends ist, in der Jetztzeit und in der geologischen longue durée, führt dazu, dass wir gewissermaßen nicht mehr sicher unterscheiden können zwischen dem, was (nicht/schon) Zustand ist, und dem, was (noch/schon) Ereignis ist. Genau diese Diagnose selbst lässt sich aber begreifen als eine sich permanent übersteuernde Geschichtlichkeit im Werden. Stanley Cavell hat einmal angemerkt: “What is uneventful at one date and place is not the same as what is uneventful at another date and place, so that the translations of one to another may be knowable only to something we call history.” (Cavell 1984: 193). Während er dabei darauf hinauswollte, dass ab einem bestimmten Punkt historiographisches Wissen und philosophische Analyse des Gewöhnlichen in einander übergehen, so verweist uns dies auch auf eine zentrale Feststellung, den die Klimakrise und das Anthropozän ausmachen: Wir oszillieren permanent zwischen „This is not normal“ und “This is the new normal” und die Tatsache, dass diese beiden Formulierungen in ihrer Widersprüchlichkeit austauschbar geworden sind, zeigt bereits, dass wir die historischen Zeitmodalitäten extremer Ereignisse nicht zu fassen bekommen:
Im Zeitmaß der Erdgeschichte gesehen ähnelt das Erscheinen des Menschen, erinnern vor allem aber die massiven Veränderungen der Great Acceleration an die abrupten Folgen eines plötzlichen Meteoriteneinschlags oder Vulkanausbruchs. (Horn/Bergthaller 2019: 212)
Die unterschiedlichsten Prozesse, Episteme und Praktiken auf verschiedensten globalen und temporalen Skalen, auf verschiedensten Dimensionen des gelebten Alltags, der künstlerischen Praxis, der technologischen Infrastrukturen, der (bio- und geo-)politischen und ökonomischen Systeme haben sich zu etwas verhakt, was sich so ähnlich verhält, wie in der Astrophysik die Singularitäten: Statt einem Erwartungshorizont haben wir einen Ereignishorizont. Wir wissen zwar, dass es ‚so‘ nicht weitergehen kann, dass das ‚weiter so‘ die eigentliche, die permanente Katastrophe ist (wie schon Benjamin und Adorno wussten). Aber ob es hinter dem Tod ‚dieser Zivilisation‘ eine menschliche Zukunft bzw. verschiedene Zukünfte gibt, die eine „planetary idea of habitability“ (Chakrabarty 2021: 204) realisieren, werden wir erst wissen, wenn wir sie bzw. sie uns erreichen.
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