Gespräch mit Hito Steyerl
Die Darstellung von Geschichte ist, explizit oder implizit, immer politisch konnotiert. Film und Video als wirkmächtige Vergegenwärtigungsinstrumente werden daher oft als Medien zur Darstellung geschichtlicher Ereignisse verwendet. Dabei sind diese Medien nicht nur als kulturelle Techniken des Erinnerns zu begreifen, sondern auch als Mittel der Konstruktion von Erinnerungen, die als Argumente im Kampf um die Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen in den Dienst der jeweiligen Seite gestellt werden. Hito Steyerl war und ist eine politische Künstlerin, die in ihren Arbeiten das Verhältnis von visueller Repräsentanz, Erinnerung, Geschichte und Politik immer wieder vom Standpunkt einer Gegenöffentlichkeit mit ästhetischen Mitteln thematisiert und in essayistischer Tradition formuliert. In der Verknüpfung eigener Erfahrungen mit kollektiven Erinnerungen verbindet sie die Sphäre des scheinbar Privaten mit dem gesellschaftlichen Bereich und der Geschichte. Sie kontextualisiert und re-kontextualisiert, schreibt Geschichte. Als ein Beispiel für dieses Verfahren sei hier ihre Arbeit „Is the Museum a Battlefield“ genannt, erstmals auf der 13. Biennale von Istanbul 2013 präsentiert. In dieser „Lecture“ geht Hito Steyerl der Frage nach, inwieweit Schlachtfelder und Museen zusammengedacht werden können. Angestoßen wurde diese Arbeit durch einen Besuch des Ortes, an dem ihre Freundin Andrea Wolf als Kämpferin für die PKK von türkischen Truppen erschossen und in einem Massengrab verscharrt wurde. Das Schicksal ihrer Freundin hatte Hito Steyerl zuvor bereits auf andere Weise in ihrem Film NOVEMBER (2004) thematisiert. NOVEMBER und JOURNAL Nr 1 –AN ARTIST IMPRESSION (2007) wurden im Rahmen des 19. Internationalen Bremer Symposium zum Film mit dem Tagungstitel „Film und Geschichte. Produktion und Erfahrung von Geschichte durch Bewegtbild und Ton“ gezeigt. Leider konnte Hito Steyerl zur Vorführung selbst nicht anwesend sein. So hätte ein Gespräch über diese Filme, Steyerls Arbeitsansatz und die Frage nach dem Verhältnis von Film und Geschichte in ihren Arbeiten ausbleiben müssen. Um diesen Verlust ansatzweise zu kompensieren, hatte ich mich entschlossen mit ihr in Berlin – quick and dirty – ein Interview zu führen, das Fragen und Antworten zum Thema des Symposiums beinhaltet. Freundlicherweise willigte Hito Steyerl ein. Wir beide fühlten uns dabei ungezwungener, nicht im Bild erfasst zu werden. Daher suchte ich die Bilder nach dem Interview am Ort des Geschehens und in seiner unmittelbaren Nähe und fügte sie später der Tonspur des Gesprächs hinzu.