Die No 19 der Zeitschrift nach dem film unternimmt eine aktuelle Bestandsaufnahme zu Verfahren der Aneignung und des Zitats. Alle Autor_innen, die sich mit Fragen in diesem Feld beschäftigen, sind herzlich eingeladen, sich an der Ausgabe zu beteiligen! Vorschläge für Beitrage können in Form eines halbseitigen Exposés in deutscher oder englischer Sprache bis zum 15.09.2020 per Mail eingereicht werden an: info@nachdemfilm.de
Digitalen Bild- und Tonkulturen wird zunehmend eine Schlüsselfunktion bei der Ausformulierung politischer Teilhabe und kultureller Globalisierung zugeschrieben – aber auch bei der Produktion eines kulturellen Gedächtnisses. Die Strategien dieser kulturellen Praktiken sind häufig geprägt durch Verfahren des Zitierens und Aneignens. Mit Fokus auf Film und Kino eröffnet sich ein heterogenes Feld aus ästhetischen, sozialen, medialen, ökonomischen und politischen Operationen, die Alltagskultur, Kunst und Kommerz durchdringen. Darin erhalten Filmbilder und Filmsounds neue oder veränderte kommunikative Funktionen. Filmgeschichte wird (werbewirksam) verwertet und angeschlossen an unterschiedlichste Gesellschaftsbereiche – aber auch reflektiert und fortgeschrieben – oder anders formuliert: es wird gegen, aber auch „Mit Film gedacht und gehandelt“. Diese und ähnliche Strategien wurden als Verfahren des Zitats, der Aneignung und der Re-Mediation charakterisiert und beispielsweise auf juristischer Ebene entweder als Copyright-Vergehen geahndet oder als fair use akzeptiert.
Strategien des „Mit-Film-Denkens-und-Handelns“ finden sich in allen Bereichen der Unterhaltungs- und Hochkultur, wie auch in vielen anderen Gesellschaftsbereichen, die digitale Bild- und Tonkulturen für ihre Zwecke zum Einsatz bringen. Als eine auf Reflexivität ausgerichtete Praxis, kann ein „Mit-Film-Denken-und-Handeln“ als intellektuelle Auseinandersetzung mit der äußeren Wirklichkeit und mit inneren Vorgängen gedeutet werden. Sobald Töne, Bilder, Sequenzen oder Ideen aus Filmen entnommen werden, erfahren sie verschiedenste Formen der Übertragung und Bearbeitung. Diese Strategien haben seit langem Tradition im experimentellen Film. Mit ihren subversiven Neubearbeitungen dekonstruieren und unterlaufen z.B. Bruce Connor, Matthias Müller, Sharon Sandusky (u.v.a.) die ursprünglichen medialen Wirkungen des filmischen Materials.
Künstler*innen, wie Tracy Moffat, Ming Wong oder Christian Marclay (u.v.a.) eignen sich mit ihren Zitaten nicht nur Filmgeschichte an, sondern auch die etablierten Strategien des experimentellen Films, um wiederum neue, kritische oder dekonstruktive Arbeiten zu schaffen. Genrefilme und Remakes setzen sich in der Regel bewusst von ihren Vorgängern ab oder kopieren diese. Essayfilme oder Found-Footage-Werke arbeiten häufig mit gefundenem oder gesammeltem ‚Material‘. Bei den populären Memes, die sich bei bekannten Filmen als Bild- und Tonquelle bedienen, handelt es sich vordergründig um humorvolle Kommentare. Auf den zweiten Blick werden auch politische Einstellungen und normative Vorstellungen reflektiert und auf spielerische Weise subversive Sichtweisen und kritisches Denken aktiviert. Die Relevanz digitaler Bild- und Tonkulturen erschließt sich gerade in der Zusammenschau dieser unterschiedlichen Ausdrucksweisen noch einmal anders – insbesondere wenn sie als Resonanzboden ihrer jeweiligen kulturellen und sozialen Gemeinschaften betrachtet werden.
Die No 19 von nach dem film möchte diese Zusammenschau vertiefen und das Aneignen und Zitieren in dieser Perspektive noch einmal neu befragen: Mit dem Fokus auf ein „Mit-Film-Denken-und-Handeln“ laden wir zu aktuellen Beiträgen und zur Auseinandersetzung mit den skizzierten Formen des Zitats und der Aneignung ein. Wir erhoffen uns davon – im aktuellen Digitalisierungsschub – Film und Kino als eine gesellschaftliche Praxis weiterzudenken und in ihrem kulturellen Wandel neu in den Blick zu nehmen.
Mögliche Leitfragen für die No 19 lauten: