Eine Film-Retrospektive, ein Jubiläumsheft und ein Gesamtverzeichnis aller erschienenen Artikel auf CD-Rom
Frauen und Film gehört heute zu den Fachzeitschriften, die man sich vor allem in der Bibliothek durchsieht, um sich gezielt Texte zu kopieren für die filmwissenschaftliche Arbeit. 'A la Recherche' heißt das Stichwort für die Lektüre und mit diesem lassen sich die 70er, 80er und manchmal auch die 90er Jahre durchwandern. Das Gesamtverzeichnis der erschienenen Artikel, das zum 25-jährigen Jubiläum der Zeitschrift auf einer beigelegten CD-Rom erscheint, stellt daher ein vielversprechendes Hilfsmittel dar. Dieses Verzeichnis erleichtert nicht nur den Zugang zu dem kleinen Schatz an Themen, Titeln und Autorinnen. Es stellt gleichzeitig das verbreitete Phänomen der Digitalisierung heraus, welches Frauen und Film in besonderem Maße angeht; denn die Digitalisierung betrifft nicht nur die Zeitschrift und die Archivierung ihrer Geschichte sondern auch den Gegenstand Film und sein Trägermedium Zelluloid.
Wie andere Zeitschriften aus den 70er Jahren, die ihren Rückhalt in sozialen Bewegungen hatten, steht auch Frauen und Film derzeit vor einer Perspektivdiskussion. Einerseits wird diese Diskussion von ökonomischen Fragen, andererseits auch von einem Generationswechsel und weiterreichenden gesellschaftlichen, ideologischen und technischen Veränderungen geprägt. Wie soll man heute eine solche Zeitschrift machen? Wofür steht die Verbindung 'Frauen und Film'? Und wofür die einzelnen Begriffe 'Frau' und 'Film'?
Die vielen Briefe und Liebeserklärungen im Jubiläumsheft zeugen davon, daß Frauen und Film immer mehr gewesen ist als eine Fachzeitschrift. Sie weisen zurück in eine Zeit, als es die feministische Filmtheorie, wie wir sie heute kennen, als Gegenstand von Uniseminaren und Dissertationen, noch nicht gab. Frauen und Film, diese Verbindung öffnete ein Forum für Bereiche, über die sonst nirgends gesprochen und geschrieben wurde. Von Filmemacherinnen wurde diese Zeitschrift einst gegründet und ihr Titel setzte auf einen produktiven Zwischenraum, der sich nicht nur in der beruflichen Filmarbeit und im Kino als Ort der Zuschauerinnen entfalten sollte.
Mit der Film-Retrospektive zum Jubiläum im kommunalen Kino in Frankfurt (Juni 2000) machte die Redaktion von Frauen und Film nicht nur ein Angebot zur Rückschau auf die Geschichte der Zeitschrift. Sie öffnete den Blick auch auf die Filme, die die Geschichten der Schreiber-, Leser- und Kinogängerinnen maßgeblich mitbestimmt haben. Auch für die jüngere Generation war es nicht nur von filmwissenschaftlichem Interesse Filme zu sehen, die bis dahin nur aus der Theorie oder von Videokopien bekannt waren. Einen Schwerpunkt der Retrospektive bildeten Filme aus den 70er Jahren. An Filmen wie Elfi Mikeschs ICH DENKE OFT AN HAWAII (1978) ließ sich erfahren, wie ungeheuer groß derzeit der historische Abstand zu den 70er Jahren ist. Das Anschauen solcher Filme wird folglich von starken Sehnsüchten begleitet. Die Diskussionsversuche in diesem Rahmen – ebenfalls Teil der Jubiläumsveranstaltung – gestalteten sich nicht zuletzt deshalb als kompliziert, weil das Heute mit Blick auf die 70er Jahre nur schwer zu fassen ist.
Dieser nostalgische Effekt begünstigt museale Tendenzen insbesondere bei Jubiläumsfeiern. Eine Musealisierung droht aber nicht nur der sozialen Bewegung, von der die Zeitschrift einmal getragen wurde, sondern auch den filmtheoretischen Erkenntnissen, sowie auch den ästhetischen Filmereignissen selbst. So ist es kein Zufall, daß die Veranstaltung in den Räumen des deutschen Filmmuseums stattfand. Multiplex- aber auch viele andere Kinos sind für die Vorführung von älteren Filmen gar nicht ausgerüstet. In Frankfurt wurde im letzten Jahr die Asta Nielsen Kinothek im Umfeld von Frauen und Film aus der Taufe gehoben, ein Schritt dahin, historische Filme (nicht nur Asta Nielsen Filme) als Kinoereignisse lebendig zu halten. Bei der Film-Retrospektive konnte man davon profitieren und ein ganzes Programm von Filmen mit Asta Nielsen sehen. Daß der Zugang zu Filmen aus den zehner Jahren einfacher erschien als zu den Filmen der 70er Jahre, bleibt denkwürdig. Der Film Engelein (R: Urban Gad, 1914) war mit seiner Inszenierung von Weiblichkeit ganz auf der Höhe der Zeit. Asta Nielsen spielt eine 17jährige Frau, die sich wegen einer Erbschaft als 12jähriges Mädchen ausgibt. Sie changiert dabei zwischen diesen beiden Rollen, und am Ende nimmt man ihr keine Rolle mehr als die echte ab. Weiblichkeit erscheint hier durch und durch als inszeniertes Spiel.
Ob die Einrichtung von digitalen Datenbanken im Kontext von solchen Filmarchiven die Hoffnung auf ein lebendiges Filmgedächtnis befördert oder verhindert, wurde bei der Abschlußdiskussion in Frankfurt erörtert. Die Digitalisierung im Informationsbereich erscheint unumgänglich und ebenso notwendig wie die Konservierung des Zelluloid. Beides ersetzt aber nicht eine darüberhinausgehende Perspektivreflexion. Um diese voran oder weiter zu treiben, sollte vielmehr nach den eigenen Seh- und Sehnsüchten geforscht werden.
'Nach dem Film' wünscht 'Frauen und Film' alles gute für die Zukunft. Das Jubiläumsheft mit CD-Rom ist wie immer über den gut sortierten Buchhandel zu beziehen oder direkt beim Stroemfeld Verlag, der dieser Tage ebenfalls ein Jubiläum feiert. Die Film-Retrospektive wird noch einmal im Kino Arsenal in Berlin vom 13. - 21. November 2000 gezeigt, ein Programmschwerpunkt mit Diskussion ist vom 17. - 19. 11. vorgesehen. Einzelheiten zum Programm finden Sie ab 24.10. unter www.fdk-berlin.de.