Christian Metz (2000) Der imaginäre Signifikant. Psychoanalyse und Kino. Münster: Nodus. 38,50 Euro.
Im letzten Winter hat der Nodus-Verlag unter dem Titel Der imaginäre Signifikant: Psychoanalyse und Kino eine deutsche Übersetzung des Buches Le signifiant imaginaire des französischen Filmsemiologen Christian Metz herausgebracht. Damit liegt dreiundzwanzig Jahre nach der Publikation des französischen Originals, achtzehn Jahre nach der Veröffentlichung der englischen Gesamtübersetzung und sieben Jahre nach dem Tod des Autors die erste vollständige Übertragung ins Deutsche vor - bislang war lediglich eine Übersetzung des dritten Teils des Buches unter dem Titel "Der fiktionale Film und sein Zuschauer" in Psyche XLVIII/11 (1994) erschienen. Die deutsche Übersetzung hat acht Jahre in Anspruch genommen; ihr Erscheinen war seit langem angekündigt, wurde aber immer wieder verschoben.
An diesen enormen Verzögerungen ist sicherlich der schwere Stand, mit dem die deutsche Filmwissenschaft immer noch zu kämpfen hat, nicht ganz unschuldig: In einem Land, dessen Filmwissenschaft aufgrund einer ungenügenden institutionellen Verankerung nicht gerade durch eine übermäßige Produktivität auffällt und daher immer noch in hohem Maße auf die Ergebnisse der ausländischen Filmwissenschaft angewiesen ist, welche jedoch größtenteils unübersetzt bleiben, muß man schon fast dankbar sein, daß das Buch von Metz überhaupt noch ins Deutsche übertragen worden ist. Oder setzt man hierzulande im Falle der französischen, amerikanischen und britischen Texte schlicht die Kenntnis dieser Sprachen voraus und begnügt sich im Falle der italienischen und japanischen Publikationen mit den englischen und französischen Übersetzungen?
Das lange Warten auf die deutsche Version des Imaginären Signifikanten hat sich jedoch gelohnt: Obwohl an der Übersetzung mit Dominique Blüher, Thomas Hübel, Elisabeth Madlener, Robert F. Riesinger, Peter Stolle, Margrit Tröhler und Michael Wiesmüller insgesamt sieben Personen mitgearbeitet haben (womit die Anzahl der vier Mitarbeiter der englischen Übersetzung noch übertroffen wird) und allzu viele Köche bekanntlich den Brei verderben, ist das Ergebnis von einer erstaunlichen stilistischen Geschlossenheit, was auf genaue Absprachen und/oder eine gründliche Schlußredaktion schließen läßt. Die ÜbersetzerInnen haben darüber hinaus Sensibilität für die Wortspiele bewiesen, mit denen Metz einem der theoretischen Referenzpunkte des Imaginären Signifikanten, nämlich Lacan, auch einen rhetorischen Tribut zollt. So bewahren sie etwa im vierten Teil des Buches den Zusammenhang zwischen "Figur", "Gesicht" und "Entstellung", indem sie die französischen Entsprechungen "figure" und "défiguration" in Klammern dazusetzen und in den Fußnoten und der editorischen Notiz am Ende des Buches entsprechende Erläuterungen abgeben. Auch die Alliteration "pour qui sont ces serpents qui sifflent sur vos têtes?" wird mit "wem wispern diese Vipern im Gewölk" kongenial wiedergegeben.
Leider finden sich - vor allem im ersten und zweiten Teil des Buches - auch einige weniger geschickte Formulierungen. So ist etwa fraglich, ob man das französische Wort "hors-champ", das neben dem englischen "off-screen" einen terminus technicus darstellt und daher der Übersetzung eigentlich nicht bedarf, unbedingt mit "Außerfeld" wiedergeben muß. Ein regelrechter Fehler hat sich eingeschlichen, wenn die Übersetzer Metz, Lacan referierend, das Kind nicht durch motorische Unreife, sondern durch "motorische Frühreife" kennzeichnen lassen. Daß Freud durchgehend aus den Gesammelten Werken statt aus der Studienausgabe zitiert wird, ist sicherlich darin begründet, daß Metz auch auf Texte Bezug nimmt, die in der Studienausgabe nicht enthalten sind, wird aber den Besitzern dieser Werkausgabe, die sich gegenüber den Besitzern der Gesammelten Werke in der Mehrheit befinden dürften, das Nachlesen der Zitate schwer machen.
Diese kleinen Schwächen werden aber durch den sehr brauchbaren editorischen Apparat wieder wettgemacht: Zwar sucht man einen Index, wie ihn die englische Übersetzung enthält, in der deutschen Ausgabe vergebens. Doch sind hier dem eigentlichen Text die drei Vorworte vorangestellt, welche ursprünglich die drei französischen Ausgaben des Buches einleiteten und die nun, in der Nebeneinanderstellung, sowohl die Entwicklung von Metz’ Denken als auch die Rezeptionsgeschichte des Imaginären Signifikanten dokumentieren. Den Abschluß des Bandes bilden ein Nachwort, das eine Einordnung des Imaginären Signifikanten in Metz' theoretische Entwicklung vornimmt, eine Kurzbiographie, eine mit viel Fleiß zusammengestellte Bibliographie aller Schriften von Metz sowie die bereits erwähnte editorische Notiz zur Übersetzung bestimmter Schlüsselbegriffe. Besonders positiv hervorzuheben ist, daß in der Bibliographie der Metz-Texte wie auch beim Nachweis der von Metz zitierten Texte anderer Autoren in den Fußnoten sowohl das Original als auch - soweit vorhanden - die deutsche Übersetzung angegeben wird, wenngleich hier zwei Ergänzungen vorzunehmen sind: Vom dritten Teil des Imaginären Signifikanten ist - wie eingangs erwähnt - bereits in Psyche XLVIII/11 (1994) eine Übersetzung erschienen. Und auch von Thierry Kuntzels Aufsatz "Le travail du film, 2" (1975) liegt mit "Die Filmarbeit, Teil 2", veröffentlicht in montage/av 8/1/1999, mittlerweile eine deutsche Version vor.
Der Imaginäre Signifikant wird im allgemeinen - und das von Riesinger verfaßte Nachwort zur deutschen Übersetzung tut dies erneut - in die zweite der insgesamt drei Phasen von Metz' theoretischer Entwicklung eingeordnet. Metz hatte sich in der ersten Phase (ca. 1964-1971) mit der Bedeutungskonstitution und dem Realitätseffekt des Kinos beschäftigt, die populäre Rede von der Filmsprache, die fast so alt wie der Film selbst ist, durch einen Vergleich des Films mit der natürlichen Sprache einer kritischen Prüfung unterzogen und eine binäre Systematik der Montagetypen aufgestellt; er wird sich in der dritten Phase (ca. 1986-1993) vor allem mit der kinematographischen Enunziation und deren Spuren im Enunziat des Films befassen. In der zweiten Periode von ca. 1972-1985, die mit "Trucage et cinéma" beginnt, mit Le signifiant imaginaire ihren Höhepunkt erreicht und mit "Photography and Fetish" endet, versucht Metz nun, den linguistisch-strukturalistischen Ansatz der beiden anderen Phasen mit verschiedenen psychoanalytischen Fragestellungen zu verbinden, die neben dem Text des Films auch das zuvor ausgeklammerte Dispositiv des Kinos und den Rezipienten einbeziehen.
Freilich sind diese Zäsuren in Metz' Werk nicht zu verabsolutieren, werden vielmehr durch zahlreiche Kontinuitäten überbrückt, woran sicherlich die Tatsache ihren Teil trägt, daß sich Metz für die lacanianische Version der Psychoanalyse entscheidet, die ihrerseits strukturalistisch ist. So geht es nicht erst in der zweiten, sondern schon in der ersten Periode neben dem Film selbst auch um dessen Rezipienten. Dieser wird lediglich noch nicht aus der Perspektive der Metapsychologie des Unbewußten, sondern aus jener der Wahrnehmungs- und Bewußtseinspsychologie betrachtet, und ihm wird noch eine größere perzeptuelle, affektive und kognitive Eigenständigkeit dem Film gegenüber zugestanden. Umgekehrt beschäftigt sich Metz auch in der zweiten Phase noch mit der Bedeutungskonstituierung und dem Realitätseffekt des Filmes und vergleicht diesen weiterhin mit anderen Symbolsystemen, wenngleich er dabei seine Problemstellungen neu akzentuiert und andere Lösungsvorschläge anbietet: Das Verstehen eines Filmes wird nun weniger durch die Beherrschung von Codes als durch die Identifikation mit Kamera und Leinwandfiguren erklärt. Den im ersten Zeitabschnitt vertretenen Glauben an eine Begrenzbarkeit der Bedeutungen eines Filmes auf eine endliche Anzahl gibt Metz jetzt auf, so daß an die Stelle der Vorstellung einer statischen Struktur das Bild einer dynamischen Strukturierung tritt. Ließ sich Metz bei der Aufstellung der großen Syntagmen noch von der Denotation leiten, so wendet er sich in der psychoanalytischen Periode eher der Konnotation, den Figuren der Metapher und der Metonymie, zu (und löst dabei die begriffliche Unterscheidung von De- und Konnotation auf). Neben den Vergleich des Films mit der verbalen Sprache tritt im Imaginären Signifikanten derjenige mit dem Theater. Der Realitätseindruck wird nicht mehr auf die begrenzte Ikonizität des Filmbildes zurückgeführt, die sich primär auf dessen Beweglichkeit stützt, sondern als fetischistische Verleugnung der Enunziation (des discours) zugunsten des Enunziats (der histoire) expliziert. Dem Verhältnis von Enunziation und Enunziat schließlich, das hier bloß angeschnitten wird, widmet Metz in seiner dritten Phase eine gründliche Untersuchung.
Metz vollzog seine Wendung zur Psychoanalyse keineswegs im Alleingang, sondern unter dem Einfluß von AutorInnen wie Jean-Louis Baudry, Jean-Louis Comolli, Jean Narboni, Thierry Kuntzel, Marie-Claire Ropars, Raymond Bellour, Pascal Bonitzer und Laura Mulvey, wenngleich er dies nicht immer offenlegt. Zu behaupten, Metz wiederhole nur, was vor ihm von anderen entwickelt wurde, wie es Martin Jay in Downcast Eyes (1993) tut, würde ihm jedoch Unrecht tun. Vielmehr nimmt Metz an vielen Stellen Ergänzungen, Präzisierungen und Systematisierungen vor oder stellt Gegenthesen auf. Allerdings führt das Bemühen um Präzision und Systematik, das den Szientifismus von Metz’ erster und dritter Entwicklungsphase auch in der zweiten Periode durchscheinen läßt, mitunter zu Umständlichkeiten, nämlich dann, wenn Metz Mißverständnisse auszuräumen versucht, zu denen auf Seiten des Lesers gar kein Anlaß besteht.
Von Baudrys, Comollis und Mulveys Texten unterscheidet sich Der Imaginäre Signifikant vor allem darin, daß er das Pathos der Ideologiekritik durch das der Selbstanalyse ersetzt: Während sich die genannten TheoretikerInnen in emphatischem, ja kämpferischem Ton auf das ideologiekritische Projekt beziehen, bestimmt Metz das Kino zwar als ökonomisches, kaum aber als ideologisches Phänomen. In den wenigen Fällen, in denen er dies doch tut, verwendet er den Begriff 'Ideologie' im orthodoxen Sinne eines falschen Objektbewußtseins, nicht im althusserianischen Sinne einer imaginären Subjektkonstitution, verbindet ihn also gerade nicht mit der von Lacan inspirierten Analyse der spekular-narzißtischen und subjektzentrierenden Effekte des Kinos, wie es die anderen AutorInnen tun. Stattdessen bezieht Metz, darin Freud folgend, in seine Überlegungen zum Begehren des alltäglichen wie auch professionell-wissenschaftlichen Kinogängers seine eigene Person ein. Es gehört zu den sympathischsten Zügen des Imaginären Signifikanten, daß Metz dadurch die starre Subjekt-Objekt-Trennung seiner früheren Texte auflöst.
Die wichtigste Veränderung, die Metz gegenüber den Texten von Bellour, Kuntzel und Ropars vornimmt, ist eine Verschiebung von der Filmanalyse zur Filmtheorie: Während die Texte der letztgenannten AutorInnen primär Analysen einzelner Filme darstellen und erst in einem zweiten Schritt theoretische Generalisierungen vornehmen, zielt Metz vorrangig auf theoretische Aussagen ab, die er nur gelegentlich durch analytische Passagen exemplifiziert.
Von Baudry übernimmt Metz das Konzept der primären, zentrierenden Identifikation des Rezipienten mit der Kamera, dem Projektor und der Leinwand und der sekundären, spekularen Identifikation mit den diegetischen Figuren und deren Blicken sowie die Analogisierung der Kinoerfahrung mit dem Traum, die übrigens nicht erst mit Baudry beginnt, sondern mindestens so alt wie der Vergleich des Films mit der Verbalsprache ist. Die Erläuterung des Realitätseffektes des Kinos als fetischistische Verleugnung des Apparates der Enunziation, wie sie Metz in "Trucage et cinéma" vornimmt, findet sich bei Comolli vorgeprägt. Im Imaginären Signifikanten macht Metz dagegen einen anderen Gebrauch vom Fetischismus-Begriff: Hier ist die Filmtechnik nicht mehr das Objekt, sondern das Mittel der fetischistischen Verleugnung, und deren neues Objekt ist die raum-zeitliche Absenz des filmischen Signifikats. Mulveys bahnbrechender Aufsatz "Visual Pleasure and Narrative Cinema" (1973-75), der im Imaginären Signifikanten allerdings nicht erwähnt wird, versammelt gleich drei der auch von Metz beschriebenen Formen der Skopophilie des Kinobesuchers: Spiegelidentifikation, Fetischismus und Voyeurismus. Neben Baudry hat auch Kuntzel das Kino mit dem Traum analogisiert. Von dort übernimmt Metz die drei Traummechanismen der Verschiebung, Verdichtung und Sekundarisierung. Auch die Überordnung der Signifikation über das Signifikat, traditionell gesprochen: der Form über den Inhalt, teilt Metz mit Kuntzel (letzlich geht diese Überordnung auf Freud zurück, der betonte, daß der entscheidende Aspekt des Traumes nicht der latente Traumgedanke, sondern die Traumarbeit sei). Wenn Metz herausarbeitet, daß ein in der Diachronie eines Filmes scheinbar konstantes Motiv in Wirklichkeit nacheinander ganz unterschiedliche figurative Funktionen übernehmen kann, so verweist er auf entsprechende Formulierungen bei Ropars.
Wie fast alle Texte von Metz stellt auch Der Imaginäre Signifikant weder ein filmanalytisches noch ein filmhistorisches, sondern ein filmtheoretisches Buch dar, was Metz selbst im ersten Teil des Buches unterstreicht. Die wenigen filmanalytischen Passagen dienen - wie gesagt - lediglich der Veranschaulichung theoretischer Bestimmungen; die wenigen filmhistorischen Überlegungen sind auf einer sehr allgemeinen Ebene angesiedelt, beschäftigen sich etwa mit dem Verhältnis des Kinos zum Roman des 19. Jahrhunderts oder mit der historischen Durchsetzung des narrativen Kinos.
Die Gegenstände von Metz’ theoretischem Fragen lassen sich entlang zweier Achsen ordnen: Erstens verbindet Metz einen text- und codetheoretischen Ansatz mit einer Untersuchung des kinematographischen Apparates, Dispositivs oder - wie man heute wohl am ehesten sagen würde - Mediums. Unter dem "imaginären Signifikanten" des Kinos versteht er folglich sowohl eine technisch-materielle als auch eine semiologische Entität. Dabei steht das Dispositiv im Zentrum der ersten drei Teile des Buches, während er dem Text und dem Code den vierten Teil widmet, in dem er allerdings gelegentlich auf apparatustheoretische Aspekte, etwa auf Freuds Vergleich des psychischen Apparates mit einem optischen Apparat, zurückkommt. Zweitens verknüpft Metz diese Analyse von Apparat, Code und Text, welche die Objektseite des Kinos bilden, mit einer Problematisierung des Filmrezipienten, der Subjektseite. Dabei stehen vor allem zwei Fragen im Vordergrund: 1. Warum gehen Menschen ins Kino? Metz bringt hier die Begriffe des Begehrens, des Genießens, des Phantasmas und des guten Objekts (Melanie Klein) ins Spiel. Wie bereits betont, interessiert er sich dabei nicht nur für die Motivationen des gewöhnlichen Filmrezipienten, sondern auch für diejenigen des Filmwissenschaftlers einschließlich seiner selbst. 2. Welches sind die Subjektpositionen, die dem Rezipienten durch das Kino zugewiesen werden und ihm ein bestimmtes - als phallisch-imaginär zu qualifizierendes - Genießen ermöglichen? Neben der Bedienung der je individuellen Phantasmen verweist Metz hier auf die Spiegelidentifikation, auf die perzeptuelle Zentrierung, auf den Fetischismus und den Voyeurismus.
Es handelt sich beim Imaginären Signifikanten nicht um eine Monographie. Vielmehr stellen die vier Teile des Buches voneinander unabhängige, z.T. bereits selbständig veröffentlichte Aufsätze dar. Deshalb kommt es zwischen diesen Teilen sowohl zu Redundanzen als auch zu Widersprüchen. Das gilt vor allem für den ersten und zweiten Teil. Denn zum einen bestimmt Metz in beiden Teilen die Filmrezeption als voyeuristisch und setzt sie ins Verhältnis zur Urszene und zum Exhibitionismus. Zum anderen wendet er im ersten Teil neben dem Konzept des Voyeurismus auch diejenigen des Narzißmus und des Fetischismus auf das Kino an. Dabei übersieht er, daß diese zu jenem in einem Spannungsverhältnis stehen, wie Mulvey bereits deutlich gemacht hatte und später noch einmal Gaylyn Studlar und John Ellis hervorheben werden: Vom Fetischismus unterscheidet den Voyeurismus, daß er Distanz herstellt und dem Sadismus zuneigt, während jener auf Nähe abzielt und sich mit dem Masochismus verbindet. Gegen den Narzißmus ist der Voyeurismus dadurch abgegrenzt, daß er aktiv ist und den ursprünglichen Partialtrieben zugehört, während jener reflexiv ist und die Konstituierung eines Ich voraussetzt.
Das tertium comparationis, das es Metz im ersten und zweiten Teil erlaubt, die Begriffe der Identifikation, des Voyeurismus und des Fetischismus auf das Kino zu beziehen, ist das Gegensatzpaar 'Absenz/Präsenz'. Dessen Anwendung auf das Kino ist freilich problematisch: Bei der Absenz denkt Metz an diejenige des Signifikats. Dessen Abwesenheit stellt aber, wie Noël Carroll in Mystifying Movies (1988), einer schonungslosen Abrechnung mit der psychoanalytischen Filmtheorie, zu recht betont hat, keineswegs ein Spezifikum des Filmes, sondern ein Kennzeichen jeder Semiose dar. Die Absenz des Signifikats erlangt beim Film allenfalls deshalb ein besonderes Gewicht, weil Metz ihr die besonders starke sensorielle Präsenz des Signifikanten, welche die unterschiedlichsten Ausdrucksmaterien und alle vorherigen Künste integriert, gegenüberstellen kann. Für die Beschreibung der kinematographischen Identifikation wird nun die Abwesenheit des Rezipienten von der Leinwand entscheidend, weshalb sich diese Identifikation nicht auf das Spiegelbild, sondern nur auf die Kamera und die Gestalten der Diegese beziehen könne. Der Voyeurismus wiederum sei durch die Distanz vom Objekt des Begehrens definiert, die offensichtlich eine abgeschwächte Form von Absenz darstellt. Der Fetischismus schließlich verleugne die Absenz des Penis bei der Frau bzw. die Absenz des Signifikats beim Film durch die Einsetzung eines Substituts, das im Falle des Kino durch dessen Technik gebildet werde.
Der dritte Teil des Imaginären Signifikanten vergleicht die Filmrezeption mit dem Nachttraum, dem Tagtraum bzw. Phantasma und der Wahrnehmung im Wachzustand und kommt zu dem Ergebnis, daß die erstgenannte Aktivität zwischen den drei letztgenannten anzusiedeln ist. Mit dem Traum verbinden den Film der Realitätseindruck, die verringerte Wachsamkeit und Motorik sowie die phantasmatische Wunscherfüllung.
Den vierten und letzten Abschnitt mit dem Titel "Metapher/Metonymie oder der imaginäre Referent" widmet Metz einer Untersuchung der figurativen, konnotativen Signifikation im Film. Zu diesem Zweck bringt er vier Gegensatzpaare, nämlich 'Metapher/Metonymie', 'Syntagma/Paradigma', 'Verdichtung/Verschiebung' und 'Primärprozeß/Sekundärprozeß' ins Spiel und bemüht sich darum, ihre jeweilige innere Struktur wie auch ihre gegenseitigen Relationen zu klären.
Die interne Gegensätzlichkeit der Begriffspaare weicht Metz - außer im Falle von Syntagma und Paradigma - auf: Sowohl die Metapher und die Metonymie als auch die Verschiebung und die Verdichtung können jeweils zusammenwirken und tun dies sogar regelmäßig, wobei die Metonymie die Basis der Metapher, die Verschiebung diejenige der Verdichtung bildet. Was den Primär- und den Sekundärprozeß anbelangt, so bildet die Zensur, die beide voneinander trennt, keine undurchdringliche Mauer, sondern eine Brechung, eine Kompromißbildung; deshalb handelt es sich hier auch nicht um eine binäre Gegenüberstellung, sondern um eine graduelle Abstufung. Metz verteidigt an dieser Stelle Lacans Gleichsetzung des Unbewußten mit der Sprache gegen den von Lyotard in Discours, figure (1975) erhobenen Vorwurf einer Logifizierung des Unbewußten.
Bei der Bestimmung der externen Relationen der Begriffspaare verfolgt Metz eine entgegengesetzte Strategie: Hat er die Gegensätzlichkeit innerhalb dieser Begriffspaare aufgelöst, so weist er die Behauptung einer Kongruenz, Parallelität oder Projizierbarkeit zwischen den Begriffspaaren zurück. Erneut nimmt Metz hier Lacan in Schutz: Die irrige Parallelisierung gehe nicht auf Lacan selbst, sondern auf dessen Interpreten zurück. Tatsächlich jedoch stünden die verschiedenen Unterscheidungen, wie Metz überzeugend zeigen kann, quer zueinander. Allerdings relativiert Metz die Differenzierung sogleich wieder, und zwar in zweifacher Weise: Zum einen behauptet er Affinitäten zwischen der Metapher und der Verdichtung einerseits, der Metonymie und der Verschiebung andererseits; Metz gerät hier jedoch in Konfusionen. Zum anderen betont er - und diese Argumentation fällt wesentlich überzeugender aus -, daß Operationen, die unterschiedlichen Paaren entstammen, zusammenwirken können, so z.B. die Verdichtung und das Syntagma in der Überblendung.
Die acht genannten Operationen sind demnach zwar begrifflich voneinander zu unterscheiden, werden aber empirisch oft zusammen (in demselben filmischen Code oder demselben Segment eines filmischen Textes) angetroffen. Nicht um eine eindeutige figurative Klassifikation der filmischen Codes geht es Metz daher, sondern um eine Beschreibung der Vielfalt figurativer Vorgänge innerhalb desselben Codes.
Die im vierten Teil des Imaginären Signifikanten vertretene Auffassung der Semiose ist von einer eigentümlichen Spannung durchzogen: Einerseits rekurriert Metz, um das Paar 'Metapher/Metonymie' vom Paar 'Paradigma/Syntagma' zu unterscheiden, auf den Begriff des 'Referenten'. Metz gibt zwar zunächst den illusionären und imaginären Charakter dieses Begriffs zu, verteidigt diesen später aber mit der praktischen, nicht nur theoretischen Bedeutung der Psychoanalyse. Damit gerät er nicht allein in einen weiteren internen Widerspruch, nämlich zu seiner im ersten Teil vertretenen These von der unendlichen Polysemie des filmischen Textes, sondern fällt auch auf eine repräsentationalistische Position zurück. Andererseits stellt Metz unter Verweis auf die Rolle des Figurativen bei der Entstehung und dem Wandel der Sprache den sekundären, abgeleiteten Status des übertragenen Sprachgebrauchs gegenüber dem wörtlichen infrage. Hier knüpft sein Buch an Texte wie Nietzsches Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, Lacans "Drängen des Buchstabens im Unbewußten" oder Derridas "Weiße Mythologie" an, welche die Unterscheidung von eigentlicher und übertragener Rede in ähnliche Weise dekonstruieren.
Läßt man den gesamten Imaginären Signifikanten Revue passieren, so fällt auf, daß der erste und zweite Teil analogisierend, der dritte und vierte dagegen differenzierend vorgehen. Zwar nimmt Metz schon in den ersten beiden Teilen die aus seiner ersten Periode bekannte Abgrenzung des Filmes von anderen Medien wieder auf, wobei es sich diesmal anstelle der Verbalsprache um das Theater handelt. Doch die Verknüpfung des Kinos mit den psychischen Strukturen der Identifikation, des Voyeurismus und des Fetischismus mithilfe des Begriffspaars 'Präsenz/Absenz' geht - wie schon Carroll festgestellt hat - kaum über eine vage Analogisierung hinaus. Diese Ungenauigkeit betrifft vorrangig die Identifikation, bei der nicht etwa das filmische Signifikat, sondern eine filmische Repräsentation des Zuschauers absent ist, und den Voyeurismus, der sich zwar durch Distanz, nicht aber durch Absenz seines Objektes auszeichnet. Dagegen gewinnt Metz im dritten und vierten Teil seine frühere Präzision zurück, indem er aufzeigt, daß der Vergleich des Filmes mit dem Traum an Grenzen stößt und diverse semiologische Gegensatzpaare, die man gemeinhin parallelisiert oder sogar identifiziert hat, voneinander unabhängig sind.
Noch größer als die Anregungen, die Metz für den Imaginären Signifikanten durch andere AutorInnen empfangen hat, ist wohl der Einfluß, den dieses Buch seinerseits in der Filmwissenschaft ausgeübt hat. Das gilt in besonderem Maße für die psychoanalytische Filmtheorie, an deren Begründung Metz wesentlichen Anteil hatte.
Dabei fungierte Der Imaginäre Signifikant zum einen als Basis, auf der sich weiteres errichten ließ. So hat sich etwa Kuntzel, dessen Aufsätze "Le travail du film" (1972) und "Le travail du film, 2" (1975) in den Imaginären Signifikanten eingegangen sind, in seinem Essay "Savoir, Pouvoir, Voir" (1975) wiederum auf die dort entwickelten Thesen zum kinematographischen Voyeurismus und Fetischismus gestützt. Ellis zeigte in Visible Fictions (1982) die Spannung zwischen den von Metz bemühten psychischen Strukturen auf. Stephen Neale hat in Genre (1980) den Imaginären Signifikanten - wenngleich nur mit mäßigem Erfolg - für eine Genretheorie fruchtbar zu machen versucht. Und Thomas Kavanaghs "Film Theory and the Two Imaginaries" (1989) arbeitete im Anschluß an Metz' Thesen zum Imaginären des Filmwissenschaftlers heraus, daß die symbolische Tätigkeit des Filmtheoretikers mit der Herausbildung eines sekundären Imaginären einhergehe, das im Unterschied zum primären Imaginären des gewöhnlichen Rezipienten nicht mehr in einer Identifikation mit dem Film, sondern mit der gesellschaftlich anerkannten Position des sujet supposé savoir, wie es paradigmatisch im Meisterdenker verkörpert werde, bestehe; der dadurch gefährdete Objektbezug könne nur durch ein Pendeln zwischen sekundärem und primärem Imaginärem gerettet werden.
Zum anderen bildeten sich in den 1980er Jahren vier Richtungen der psychoanalytischen Filmtheorie heraus, die sich von deren erster Phase, zu der Metz gehörte, abgrenzten. Hier wäre zunächst das feministische Lager zu nennen, das Metz vorwarf, den Rezipienten und die diegetischen Figuren als asexuelle konstruiert zu haben. Die Frage danach, warum Menschen ins Kino gehen und wie sie dort konstituiert werden, bedürfe einer geschlechtsspezifischen Präzisierung: Warum gehen Männer ins Kino, und wie werden sie dort konstituiert? Warum gehen Frauen ins Kino und wie werden sie dort konstituiert? Nehmen Frauen überhaupt die Position des Blicksubjekts oder nicht vielmehr die des Blickobjekts ein? Narzißmus, Voyeurismus und Fetischismus, die Metz dem Filmrezipienten an sich zuschreibe, seien in Wirklichkeit dem männlichen Kinogänger vorbehalten. Implizit vorweggenommen wurde diese Kritik bereits durch Mulveys Aufsatz "Visual Pleasure and Narrative Cinema", der mit dem Imaginären Signifikanten in erstaunlich vielen Punkten übereinstimmt - bis auf den Umstand, daß Metz vom Rezipienten überhaupt, Mulvey dagegen vom männlichen Rezipienten spricht. Da Mulveys Text jedoch älter als der Imaginäre Signifikant ist, nimmt er auf diesen keinerlei Bezug. Expliziert wurde die feministische Kritik an Metz später u.a. von Jacqueline Rose, Constance Penley und Joan Copjec.
Die zweite revisionistische Strömung, die von Elisabeth Cowie, Janet Bergstrom, David N. Rodowick und der späteren Laura Mulvey vertreten wurde, stützte sich auf den Phantasma-Begriff, wie er sich den Texten "Ein Kind wird geschlagen" und "Triebe und Triebschicksale" von Freud sowie "Fantasme originaire, fantasmes des origines, origine du fantasme" von Laplanche und Pontalis entnehmen ließ. Das Phantasma hatte zwar schon Metz im dritten Teil des Imaginären Signifikanten in die Diskussion eingeführt. Wenn er aber die Lust an einem Film durch eine Übereinstimmung des filmischen Phantasmas mit demjenigen des Rezipienten erklärte, so ging er von einer Einfachheit, Stabilität und Gleichgeschlechtlichkeit phantasmatischer Identifikationsprozesse aus. Tatsächlich aber, so die FreudianerInnen, seien solche Identifikationen vielfältig, wechselnd und möglicherweise transsexuell, weshalb derselbe Film vielen verschiedenen Subjektpositionen Raum gewähre.
Der dritte, lacanianische Flügel, dem erneut Rose und Copjec sowie Slavoj Zizek, Kaja Silverman und Michael Kötz zugerechnet werden können, nahm ebenfalls auf das Phantasma Bezug, orientierte sich dabei jedoch eher an Lacans als an Freuds Auffassung desselben. Der Akzent wurde also weniger auf die Vielfalt von Subjektpositionen als vielmehr auf die Spaltung zwischen dem gebarrtem Subjekt und dem Objekt klein a gelegt. Orientiert man sich an Lacans graphe complet, so nahm die erste Periode der psychoanalytischen Filmtheorie den Pfeil vom kleinen anderen zum moi in den Blick, während die lacanianische Revision die Aufmerksamkeit auf den Pfeil vom Begehren zum Phantasma mit seiner Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt klein a lenkte. Auf diese Weise wurde die Fülle des Imaginären durch die Differenz des Symbolischen ersetzt. Das Bild wurde nicht mehr als pervertierendes image, sondern als sublimierendes tableau gedeutet; Blick und Stimme erschienen nicht mehr als zentriert, sondern als Objekte klein a. Dabei blieb man innerhalb des lacanianischen Rahmens, den die ersten psychoanalytischen FilmtheoretikerInnen gesetzt hatten, warf diesen jedoch eine Reduktion Lacans auf den "Spiegelstadium"-Aufsatz vor, die man durch eine Einbeziehung anderer Schriften, darunter des Seminars XI über Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, zu korrigieren versuchte.
Ein vierter, weitgehend auf Deutschland beschränkter Ansatz, für den vor allem Gertrud Koch und Heide Schlüpmann standen, setzte den narzißtischen, voyeuristischen und fetischistischen Ausprägungen der Skopophilie präspekulare Formen des Sehens entgegen, wobei man sich auf den Mimesis-Begriff der Kritischen Theorie und Kristevas Konzept des Semiotischen berief.
Schärfere Kritik wurde von zwei externen Standpunkten aus geübt: Die VerfechterInnen des Avantgarde-Filmes warfen Metz vor, diese alternative Form von Kino aus seinen Überlegungen auszuschließen. So monierte etwa Peter Tscherkassy in "Psychoanalyse und Film: Zur Theorie des imaginären Signifikanten" (1992), Metz' These von der Identifikation des Zuschauers mit dessen eigenem Wahrnehmungsapparat (statt bloß mit dem kinematographischen Aufzeichnungsapparat) argumentiere nicht mehr apparatustheoretisch, sondern anthropologisch und negiere damit die Möglichkeit eines symbolisch-dezentrierenden, nicht mehr imaginär-zentrierenden Kinos.
Die neoformalistisch-kognitivistische Filmtheorie trug ihre Kritik an Metz und der gesamten psychoanalytischen Filmwissenschaft außer in der bereits erwähnten Monographie Mystifying Movies von Carroll vor allem in der von diesem und David Bordwell herausgegebenen Aufsatzsammlung Post-Theory (1996) vor. Dabei fiel die Ablehnung bei den jüngeren Angehörigen dieser Richtung wie Carroll weitaus heftiger als bei den älteren VertreterInnen wie Bordwell aus, deren wissenschaftliche Sozialisation noch in die Zeit der Vorherrschaft der psychoanalytischen Filmtheorie fiel. Die Kritik war auf drei Ebenen angesiedelt: Auf der methodischen Ebene griff man die psychoanalytische Filmtheorie wegen ihrer mangelnden empirischen Absicherung an. Auf der systematisch-logischen Ebene hielt man Metz entgegen, die Filmrezeption sei nicht als unbewußter, irrationaler und passiver, sondern als bewußter, rationaler und (inter)aktiver Vorgang zu denken. Carroll ließ insbesondere an Metz' Kennzeichnung der Filmrezeption als identifikatorisch, voyeuristisch, fetischistisch und traumartig kein gutes Haar. Auf der historischen Ebene kreidete man Metz und den anderen ApparatustheoretikerInnen an, ein kulturell eng begrenztes Modell der Filmrezeption zur Essenz des kinematographischen Dispositivs schlechthin zu verabsolutieren. Obwohl diese Kritik oftmals deshalb nicht überzeugend ist, weil ihr Metz schlicht zuvorkommt, etwa im Falle der kulturellen Varianz des Dispositivs, aber auch in vielen anderen Punkten, hat sich Metz selbst unter ihrem Eindruck von seiner psychoanalytischen Periode später partiell distanziert.
Angesichts des fortgeschrittenen Alters des Imaginären Signifikanten und der z.T. vernichtenden Kritik an ihm stellt sich die Frage, wer eine deutsche Übersetzung dieses filmtheoretischen Werkes zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch braucht. Ich denke, es sind vor allem drei Argumente, die für die Übersetzung sprechen:
Erstens ist eine angemessene Rezeption der psychoanalytischen Filmtheorie, die in Frankreich, Großbritannien und den USA immerhin zwei Jahrzehnte lang die filmwissenschaftliche Szene beherrschte, im deutschsprachigen Raum bis heute ausgeblieben. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Koch, Schlüpmann, Christine Noll-Brinckmann, Hermann Kappelhoff, Karl Sierek und Hartmut Winkler, die sich jedoch teilweise vom psychoanalytischen Ansatz wieder abgewandt haben. Es wäre zu hoffen, daß die deutsche Übersetzung des Imaginären Signifikanten diesem spezifisch deutschsprachigen Defizit ein wenig abhilft.
Zweitens stellte Der Imaginäre Signifikant zu einer bestimmten Zeit ein Standardwerk der Filmwissenschaft dar, um das kein Weg herumführte; das zeigen gerade auch die zahllosen Kritiken, die Metz' Text auf sich gezogen hat. Und wenn die Diskussion um dieses Werk auch heute nachgelassen hat, so gehört es jetzt zu den Klassikern seiner Disziplin und bildet damit einen Teil von deren Geschichte. Auch diejenigen also, die den Imaginären Signifikanten als Diskussionsbeitrag zur gegenwärtigen Filmtheorie nicht mehr ernst nehmen, sollten ihn zumindest als eines der wichtigsten Programme der Reflexion über den Film würdigen.
Drittens könnten Der Imaginäre Signifikant und die psychoanalytische Filmtheorie insgesamt inzwischen derartig alt und totgesagt sein, daß der Zeitpunkt für eine Wiedererweckung gekommen ist. Als besonders fruchtbar für eine solche Aktualisierung erscheint mir dabei der vierte - und übrigens längste - Teil von Metz' Buch, der im Unterschied zu dessen anderen Abschnitten bisher kaum rezipiert worden ist, und zwar auch in Frankreich und den USA. Die einzigen Ausnahmen bilden das Heft 7 der Zeitschrift Camera obscura von 1981, das eine Teilübersetzung von Metz' Text sowie drei Auseinandersetzungen von Penley, Bertrand Augst und R.S Hamilton enthält, Dudley Andrews Essay "The Primacy of Figure in Cinematic Signification” (1983), Marc Vernets Aufsatz "Le Figural et le figurative, ou le référent symbolique” (1990), in dem u.a. darauf hingewiesen wird, daß die außerfilmischen Objekte, auf welche innerfilmische Figuren Bezug nehmen, ihrerseits allgemeinkulturelle figurative Bedeutungen haben können, weshalb statt vom imaginären eher vom symbolischen Referenten oder überhaupt anstatt von 'referentiell' eher von 'semantisch' die Rede sein sollte, sowie Hartmut Winklers Monographie Der filmische Raum und der Zuschauer (1990), die dem vierten Teil des Imaginären Signifikanten terminologische und inhaltliche Verwirrungen vorhält, dabei insbesondere den Rekurs auf den Referenten als Rückfall hinter Lacans Ausschluß des Signifikats zugunsten des Signifikanten kritisiert und bei der Entwicklung einer alternativen Metapherntheorie die Konnotation nicht als Referenz oder Objekteigenschaft, sondern als differentiell konstituierte und damit ihrerseits auf einen Signifikanten reduzierbare sprachinterne Entität expliziert.
Trotz dieser Polemik zeigt sich Winkler überzeugt davon, daß sich eine Rekonstruktion des vierten Teils des Imaginären Signifikanten lohnen würde. Dabei könnten meiner Ansicht nach zu zwei Diskursen der gegenwärtigen Filmwissenschaft Anschlüsse hergestellt werden:
Zum einen handelt es sich bei "Metapher/Metonymie oder der imaginäre Referent" um den am wenigsten psychoanalytischen Abschnitt des Buches. Das wird schon daraus ersichtlich, daß lediglich zwei der insgesamt vier Begriffspaare, nämlich 'Verschiebung/Verdichtung' und 'Primärprozeß/Sekundärprozeß', dem psychoanalytischen Vokabular entstammen. Im Mittelpunkt steht dagegen die Frage nach der Produktion konnotativer Bedeutung - und damit ein klassisch semiologisches Thema. Das könnte diesen Text für die - in Frankreich heute dominante - Neosemiologie attraktiv machen. Die oben erwähnte Wiederaufnahme der Abgrenzung des Films von der natürlichen Sprache in diesem Teil des Imaginären Signifikanten dürfte insbesondere für die VerfechterInnen des pictorial turn von Interesse sein.
Zum anderen könnte man den vierten Teil auf den dritten Teil, also die Theorie der Figuren auf die Theorie des Traums, beziehen, ähnlich wie Winkler in Der filmische Raum und der Zuschauer sich an einer Synthese von viertem und erstem Teil, d.h. von Figuren- und Raumtheorie, versucht hat. Den Ansatzpunkt hierfür bildet die Tatsache, daß drei der insgesamt acht semiologischen Operationen, die im vierten Teil beschrieben werden, zugleich drei der insgesamt vier Mechanismen der Traumarbeit bilden. Dabei handelt es sich um die Verschiebung, die Verdichtung und die sekundäre Bearbeitung. Die ersten beiden Verfahrensweisen analysiert Metz im dritten und vierten Abschnitt des Buches anhand der filmischen Codes der Doppelbelichtung und der Überblendung. Auch auf die Sekundarisierung geht Metz in beiden Teilen ein, zwischen denen er sogar eine explizite Verbindung herstellt, indem er beim Vergleich des Sekundarisierungsgrades von Traum- und Filmtext im dritten Teil eine Untersuchung der primären Operationsweisen des Filmes im vierten Teil ankündigt. Zu ergänzen wäre die Rücksicht auf visuelle Darstellbarkeit, die ebenso wie die anderen Traummechanismen eine Gemeinsamkeit von Film und Traum darstellt. Hier könnten Anregungen von Baudry und Kuntzel aufgenommen werden, die diesen Aspekt im Unterschied zu Metz in ihren Überlegungen zum Verhältnis von Film und Traum bereits berücksichtigen. Die Attraktivität des vierten Teils für den pictorial turn würde sich dadurch noch einmal erhöhen.
Die Verknüpfung von viertem und drittem Teil des Imaginären Signifikanten liefe auf eine Integration von zwei sehr alten, wenngleich nur begrenzt gültigen Analogisierungen des Filmes, nämlich derjenigen mit dem Traum und derjenigen mit der Sprache, hinaus. Sie bedeutete ferner, den kinematographischen Apparat und den filmischen Text, die nur analytisch voneinander getrennt werden können, bei der tatsächlichen Filmrezeption aber stets zusammenwirken, auch in ihrer theoretischen Beschreibung wieder zusammenzubringen, was auf die These hinausliefe: Sowohl das Dispositiv des Kinos als auch der Text des Filmes versetzen den Rezipienten in einen traumartigen Zustand.
Vor allem aber würde man sich damit wieder der Psychoanalyse öffnen - allerdings nicht mehr der ersten Periode der psychoanalytischen Filmtheorie, sondern der lacanianischen Revision. Voraussetzung hierfür wäre die Berücksichtigung der von Lacan in den Vier Grundbegriffen der Psychoanalyse formulierten Einsicht, daß der Traum nichts geringeres als eine Erfahrung der Spaltung von Auge und Blick darstellt, sowie des von Kötz in Der Traum, die Sehnsucht und das Kino (1986) geführten Nachweises, daß diese Subjektdezentrierung auch durch das Kino herbeigeführt werden kann. Insofern wäre Tscherkassys Kritik an der These von Metz, nicht nur der konventionell-narrative, sondern auch der avantgardistisch-experimentelle Film sei stets stärker sekundarisiert als der Traum, zuzustimmen. Die Kritik von Metz an Lyotards Entgegensetzung von Unbewußtem und Sprache aber wäre gegen Metz selbst zu wenden: So wie Lyotard den sekundärprozeßhaften Charakter der Sprache übertreibt, wird bei Metz der sekundärprozeßhafte Charakter des Films überbetont. Das Kino wäre damit aus dem Bereich der Perversion, in den es von Metz gestellt wird, wenn dieser es als narzißtisch, voyeuristisch und fetischistisch kennzeichnet, in den der Sublimation gehoben. Auf diese Weise hätte man eine ähnliche Aktualisierung der frühen psychoanalytischen Filmtheorie geleistet, wie sie jüngst Zizek in seinem Kieslowksi-Buch Furcht vor echten Tränen (2001) mit der Theorie der suture unternommen hat, indem er dieser das interface gegenüberstellte.
Übrigens ist Furcht vor echten Tränen zuerst auf deutsch erschienen, während die englische Version Fright of Real Tears bis heute auf sich warten läßt.
Christian Metz (2000) Der imaginäre Signifikant. Psychoanalyse und Kino. Münster: Nodus.