Zum transmedialen Modus der Einsicht aktueller Hip-Hop-Filme und -Serien
Knowledge and wisdom
And understanding [...]
I feed off knowledge
And can’t eat enough
’Cause knowledge is infinite
Suckers ain’t into it
- Kool Moe Dee, Knowledge Is King (1989)It matters what knowledges know knowledges.
- Donna Haraway, Staying with the Trouble (2016)
Die Trias „Knowledge, Wisdom, Understanding“ ist ein Beispiel für die breitere Auffächerung der englischen Sprache im Vergleich zur deutschen. Es lässt sich argumentieren, dass sich in unserem Begriff der Einsicht – und nicht im zuletzt so gerne diskutierten Begriff des Wissens – alle Bedeutungsfluchtlinien dieser angelsächsischen Trinität treffen. Diesen Schluss legen zumindest gängige Übersetzungen ebenso wie die Begriffsgeschichten und die sich überschneidenden Verwendungszusammenhänge der Ausdrücke nahe: Einsicht ist als diskursiver Prozess der (Er-)Kenntnis, der Kognition, des Einblick(en)s, des Begreifens zu verstehen; sie bezieht sich auf den Zugang zu Wissen, das Verarbeiten von Wissen, aber auch das Wissen selbst. Der konkrete Verbund der drei Begriffe „Knowledge, Wisdom, Understanding“ ist auf frühe englische Übersetzungen des Alten Testaments zurückzuführen. Eine Renaissance hat er gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts in einem medienkulturellen Feld erfahren, das gemeinhin primär weder mit religiösen noch mit epistemologischen Diskursen assoziiert wird: dem Hip-Hop.1 Es ist an der Zeit, dieses komplexe Feld auch aus medienkulturwissenschaftlicher Perspektive als gedachtes und gelebtes Phänomen ernst zu nehmen.
Mechanismen der Einsicht fallen bereits jetzt als ein zentraler Schwerpunkt der in den letzten Jahren erstarkenden Hip-Hop Studies auf. Diese sind vor allem aus den African American Studies, den Africana Studies, der Amerikanistik, der Soziologie, der Musikwissenschaft und den Cultural Studies hervorgegangen, sie sind weiterhin zumeist interdisziplinär ausgerichtet. Basierend auf einer Idee des Hip-Hop-Pioniers Afrika Bambaataa kann „knowledge“ als fünftes der vermeintlichen vier Kernelemente der Kultur (Rap, Turntablism, Breakdance, Graffiti) verstanden werden – eine Konzeptualisierung, die auch der akademische Diskurs vielfach aufgenommen hat (vgl. Rosa 2015).2 Jüngste deutschsprachige Studien scheinen diese Hinwendung zum aufklärerischen und epistemischen Charakter des Hip-Hops zu bestätigen (vgl. etwa Marquardt 2015 sowie Spöhrer 2016). Der Begriff der Einsicht erweist sich insoweit auch in seinem Bedeutungshorizont der Introspektion und Inspektion als hilfreich: Erstens gewähren die medialen Erscheinungsformen des Hip-Hops Einsicht in seine Kultur, zweitens besteht in Einsicht ein wesentlicher Anspruch jeder Forschung, einschließlich medienkultureller Hip-Hop Studies.
„You’re now about to witness the strength of street knowledge.“ Mit diesen leicht hallenden Worten Dr. Dres, die den Anspruch einer Wahrhaftigkeit des Folgenden selbstbewusst formulieren, beginnt 1991 das Rap-Album „Straight Outta Compton“. Noch während der Einblendung der Produktionsfirmenlogos und nach einigen auditiven Fetzen zur politischen Stimmungslage beginnt 2015 ebenso der gleichnamige Spielfilm von F. Gary Gray. Die Übernahme des Zitats mag für den Film STRAIGHT OUTTA COMPTON (USA 2015) dramaturgisch wenig originell anmuten, verfehlt aber als Ansage abermals ihre Wirkung nicht. „Ansage“ meint hier einerseits wörtlich eine Lautsprecherdurchsage, die akustische Verlautbarung aus dem Off.3 Abstrakter gefasst entspricht „eine Ansage machen“ andererseits – gemäß zeitgenössischer Umgangssprache – einer substanziellen und meist performativen Verkündung. Indem der Film das Postulat aus der musikalischen Aufnahme eingangs sowie nochmals abschließend (unmittelbar vor Beginn des Abspanns) direkt zitiert und somit doppelt wiederholt, wird das Ansagen als Gestus transmedial herausgestellt. Gleichzeitig bildet das Postulieren spezifischer An- und Aussagen – zumal aus der besagten ‚Straßenperspektive‘ – den Kern des Rappens. Mit dem Zitat der allwissenden Stimme, die sich in diesem einen Satz erschöpft, macht sich die filmische Inszenierung von STRAIGHT OUTTA COMPTON insofern eine basale Methodik des Hip-Hops zu eigen. Auf diese griffige auditive Programmvorschau folgt ein spielfilmbiografischer Abriss der Entstehungs- und Erfolgsgeschichte des nämlichen Musikalbums samt seiner Urheber. Aus ihrer sozialen Benachteiligung heraus formieren Easy-E (Jason Mitchell), Ice Cube (O’Shea Jackson Jr.), Dr. Dre (Corey Hawkins), MC Ren (Aldis Hodge) und DJ Yella (Neil Brown Jr.) 1986 eine Hip-Hop-Band. Ihre Combo nennen sie N.W.A, was nicht etwa, wie ihr ‚weißer‘ Manager (Paul Giamatti) einmal mutmaßt, „No Whites Allowed“, sondern ungleich pointierter „Niggaz With Attitudes“ abkürzt. Binnen weniger Jahre errichten N.W.A mit ihrem Debütalbum „Straight Outta Compton“, so erzählt es auch der gleichnamige Film nach, ihrem verarmten Heimatort nahe Los Angeles ein ambivalentes musikalisches Monument und mischen schließlich die US-Popkultur in ihrer Gänze auf. Längere Studiosessions und aufwendig nachgestellte Konzertszenen gewähren fiktionalisierte Einblicke in das unverblümte Wortbasteln, innovative Komponieren und mitreißende Performen der Jungs-aus-dem-Viertel. Emblematisch verdichtet in ihrem Track „Fuck tha Police“, lassen sie dabei Elemente des Funk mit simplen Perkussionsrhythmen kollidieren respektive harschen Sozialrealismus mit hedonistischer Agitation. Die Geburt des ‚West Coast Gangsta Rap‘ inszeniert STRAIGHT OUTTA COMPTON als Geflecht individueller Portraits, als verzweigte Rückschau auf eine nicht immer harmonische Kollektivleistung.
Nach wiederholten Zusammenstößen zwischen den Protagonisten und der Exekutiven, die einen Schwerpunkt des Films bilden, rekonstruiert STRAIGHT OUTTA COMPTON die Entstehung von „Fuck tha Police“ als direkte Reaktion auf eine weitere Diskriminierungserfahrung der Rapper.4 Ebenjener bekannteste N.W.A-Track bildet zudem den Gegenstand der ersten Episode der Anthology-Serie TALES (2017–). Das Konzept der Vertreterin einer regelrechten Welle jüngerer Hip-Hop-Serien – etwa EMPIRE (2015–), HIP-HOP EVOLUTION (2016–), ATLANTA (2016–) – besteht in der Inspiration der Episodenhandlungen durch je ein bekanntes Rap-Stück. Showrunner Irv Gotti, seinerseits erfolgreicher Hip-Hop-Produzent, inszeniert in Episode 1 „F**k the Police“ die sprechgesungene Diskriminierungserfahrung sozusagen ethnisch invertiert: Ein ‚weißer‘ Teenager aus armen Verhältnissen wird von ruchlosen ‚schwarzen‘ Polizisten getötet, woraufhin der White-Trash-Mob gegen die gesellschaftliche Dominanz der afroamerikanischen Oberschicht aufbegehrt. Neben dieser provokanten Umkehr gesellschaftlicher Vorzeichen arbeiten auch weitere Folgen von TALES Rassismus auf, wenn etwa in „99 Problems“ (Episode 6; nach dem gleichnamigen Track von Jay-Z) der Brückenschlag vom polizeilichen Profiling der 1990er Jahre5 zur aktuellen „Black Lives Matter“-Bewegung unternommen wird.
Die perspektivische Vielfalt aktueller Serienformate können Spielfilme – das bedingt alleine der zeitlich geringfügigere Erzählrahmen – nur in verdichteter Manier erreichen. Die dennoch vorhandene Multidiskursivität von STRAIGHT OUTTA COMPTON betrifft nicht nur das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander,6 sondern auch die Relation des Kollektivs zu anderen Personen und Institutionen: In biografischer Hinsicht treffen hier mehr als ein Dutzend individuelle und etliche kollektive Selbstverständnisse (N.W.A, Crenshaw Mafia, Ruthless, Priority, Lench Mob, Death Row, Interscope, Aftermath) aufeinander; zweitens geht es um eine Rekonstruktion musikalischen Schaffens, das an neuralgischen Punkten mit wirtschaftlichen Interessen verzahnt ist; diese beiden Perspektiven finden sich drittens in eine größere soziale, politische und mithin historische Gemengelage eingebettet. Dieser übergeordnete Kontext ist nicht zuletzt angesichts der ethnischen Implikationen – insbesondere des verhandelten Blackness-Diskurses – im Besonderen virulent. Das mag wenig überraschend sein, ist Hip-Hop schließlich in einem spezifisch afroamerikanischen Kontext entstanden (vgl. Rose 1994), dessen Kernelemente in der Folge vielfach angeeignet worden sind. Gerade in dieser Hinsicht unterscheidet sich der derzeitige Zyklus an Hip-Hop-Serien und -Filmen – dessen Anfang frühestens NOTORIOUS (USA 2009) markiert, das Biopic des Rappers Notorious B.I.G. – von den nur vereinzelt breit rezipierten audiovisuellen Themenbeiträgen der 2000er Jahre. Im Gegensatz zum finanziell erfolgreichsten Film jener Ära, 8 MILE (USA/D 2002), der filmischen Quasi-Biografie Eminems, sind weite Teile der aktuellen Welle nicht dem Bereich der Aneignung zuzuordnen, sondern stellen bewusste Bezüge zur afroamerikanischen Genese und Frühgeschichte des Hip-Hops her. Auf den identitätspolitischen Ebenen von Ethnie und ‚Race‘, d.h. auch in den Perspektiven der Repräsentation und Autor_innenschaft sind sie vielmehr dem Black Cinema zuzuordnen.
Der derzeitige medienübergreifende Hip-Hop-Zyklus weist Bezüge zur themenverwandten Epoche vor etwa zwei Jahrzehnten auf, die damals noch weitgehend auf das Kino beschränkt war. Dem New Black Cinema der 1990er Jahre (vgl. Dührkoop 1997) kann angesichts seiner Filme FRIDAY (USA 1995) und SET IT OFF (USA 1996), aber auch zahlreicher Rap- und R’n’B-Videoclips auch F. Gary Gray, der Regisseur von STRAIGHT OUTTA COMPTON, zugerechnet werden. Neben etwa John Singleton (BOYZ N THE HOOD, USA 1991), Ernest Dickerson (JUICE, USA/UK 1992) und natürlich Spike Lee7 gehören Gray und der frühere Musikvideospezialist Benny Boom – jüngst verantwortlich für das Tupac-Biopic ALL EYEZ ON ME (USA 2017) und bislang zwei Episoden von TALES – somit bereits zur älteren Generation der afroamerikanischen Regisseure der derzeitigen Welle.8 Dazu gesellen sich immer mehr jüngere Filmemacher_innen wie Donald Glover, Schöpfer und Hauptdarsteller der preisgekrönten Serie ATLANTA, oder Quincy Jones III, Regisseur des ebenfalls im ‚Dirty South‘ angesiedelten Dokumentarfilms THE ART OF ORGANIZED NOIZE (USA 2016), oder Neema Barnette, die zwei Episoden der Neunziger-Rap-Serie THE BREAKS (2017–2017) inszeniert hat. Durch die thematische, perspektivische und personelle Ausrichtung dieser jüngeren Gruppierung deutet sich eine Rückläufigkeit der zuletzt zu beobachtenden ‚weißen‘ Dominanz audiovisueller Historisierungen von Hip-Hop – und damit vielleicht sogar der US-amerikanischen Filmkultur insgesamt – zumindest an. Zudem wächst allmählich die Genderdiversität selbst in dieser transmedialen Themensparte.9
Ein weiterer wichtiger personeller Faktor der gegenwärtigen Hip-Hop-Audiovisualisierungen ergibt sich aus dem vergleichsweise geringen Alter der Kultur. So ist es fraglos eine Stärke dokumentarischer Formate wie THE ART OF ORGANIZED NOIZE oder HIP-HOP EVOLUTION, dass sie deren zentrale Figuren eigens zu Wort kommen lassen können – weil die meisten Personen aus der Frühzeit des Hip-Hops schlicht noch am Leben sind. Wie sich in besagten filmischen und seriellen Beispielen beobachten lässt, gehen diese spannenden ‚first-hand accounts‘ allerdings mit einem nicht unproblematischen Aspekt einher: Mit ihren subjektiven Positionierungen dominieren einige wenige Sprecher [sic] einerseits die audiovisuelle Hip-Hop-Geschichtsschreibung – was sicher weder exklusiv für diese Kultursparte gilt noch letztlich vermeidbar ist. Andererseits sind jene Sprecher aber auch entscheidend an der Historisierung und nicht selten an der Glorifizierung ihrer eigenen Rollen für die Entstehung des Hip-Hops oder seiner spezifischen Formen beteiligt. Umso wichtiger erscheint es, dass die aktuellen Formate durchaus voneinander abweichende Positionen bieten, sei es innerhalb einzelner Erzählungen – wie etwa die divergierenden Erinnerungen des titelgebenden Producer-Trios und der heutigen Stars von OutKast in ORGANIZED NOIZE – oder einander ergänzend. Werkimmanent gilt das streckenweise auch für STRAIGHT OUTTA COMPTON, an dessen Produktion schließlich einige der portraitierten Akteure einflussreich beteiligt waren – zumal Koproduzent Ice Cube von seinem eigenen Sohn verkörpert wird. Während insbesondere die bandinternen Querelen facettenreich dargestellt werden und selbst die Rolle des zwielichtigen Managers Jerry Heller durchaus ambivalent nachgezeichnet wird, fallen einzig der rassistischen Polizei sowie dem Death-Row-Mitbegründer Suge Knight eindeutig antagonistische Funktionen zu.10 Werden in STRAIGHT OUTTA COMPTON komplexe Vorgänge in dieser Hinsicht also sehr differenziert verhandelt, hat die Vielfalt der Perspektiven in anderer Hinsicht ihre Grenzen, wie gerade der Blick über die mediendisziplinären Grenzen hinaus zeigt. So erinnert der Vergleich mit Episode 4 („The Birth of Gangsta Rap“) der Serie HIP-HOP EVOLUTION an das Fehlen eines der N.W.A-Gründungsmitglieder in der Erzählung von STRAIGHT OUTTA COMPTON. Dass der Rapper und Producer Arabian Prince in der N.W.A gewidmeten Sequenz der Serienfolge hingegen als erster Interviewpartner auftritt – d.h. vor den Äußerungen Yellas und Ice Cubes –, könnte seinem Ausschluss aus der Produktion und Diegese des Spielfilms kaum deutlicher widersprechen.11 Eine Form unbequemer Diskursivität, die Zwiespalte, alternative Sichtweisen und Ungewissheiten behält, entsteht somit erst in der Gesamtschau der verschiedenen audiovisuellen Historisierungen von Hip-Hop.
Eine weitere Figur, die in der Erzählung von STRAIGHT OUTTA COMPTON fehlt, ist die Sängerin Michel’le.12 Auch in diesem Fall ergänzt mit SURVIVING COMPTON (USA 2016) ein zusätzlicher – allerdings wesentlich geringfügiger rezipierter – Beitrag der Hip-Hop-Welle die medienübergreifende Einsicht. Erst die fiktionalisierte Aufarbeitung der Lebensgeschichte Michel’les von Regisseurin Janice Cook trägt somit zu einer transmedialen Kontroversität dieser Form der Geschichtsschreibung bei. Dieses Beispiel verweist auf die grundsätzliche Problematik der Gender-Dimension von STRAIGHT OUTTA COMPTON – der krachenden diskursiven Leerstelle der Syntax. Selbst im verlängerten Director’s Cut des Films findet eine Auseinandersetzung mit den misogynen Tendenzen dieses und des Hip-Hops insgesamt schlicht nicht statt. In die Kamera wackelnde Bikini-Hintern sind hier mitnichten nur Sprachfiguren, sondern ein wiederkehrendes visuelles Motiv. Gleichzeitig wird unter anderem der Vorwurf schwerer Körperverletzung gegen Dr. Dre vollends ausgespart (Barnes 2015), obwohl dieser die Gewaltausbrüche gegenüber mehreren Frauen durch seine verspätete Entschuldigung (Coscarelli 2015) eigens verifiziert hat. Den in den Hip-Hop Studies früh behaupteten kulturimmanenten Sexismus (vgl. Rose 1994) scheint der Film durch die ausbleibende Reflexion der Frauenfeindlichkeit insbesondere dieser Sphäre des Raps zu bestätigen. Deren beiläufige filmische Reproduktion verdeutlicht sich durch zusätzliche, meist nicht dramaturgisch gerechtfertigte Nacktaufnahmen von Statistinnen in der Langfassung sogar (vgl. Muck47 2016).13 Trotz der kontinuierlichen Dominanz männlicher Hauptfiguren berücksichtigen dagegen einige der aktuellen Hip-Hop-Serien dieses Desiderat umso deutlicher. Spannend ist hierbei insbesondere die Integration von Queerness und Transidentität in Neuerzählungen der Hip-Hop-Geschichte, so etwa in überraschender genealogischer Perspektive in THE GET DOWN (2016–2017) sowie bezogen auf aktuelle Tendenzen des ‚Trap Rap‘ in ATLANTA.14 In beiden Fällen deutet sich durch die nunmehr genderpolitisch informierten Einsichten ein Aufbrechen des zuvor überwältigend machistischen und heteronormativen Meta-Narrativs an. Diese Multiperspektivität und Revision dominanter Geschichtserzählungen destabilisiert verkürzende und essentialisierende Aussagen – etwa ‚Hip-Hop ist frauenfeindlich‘ – massiv, und zwar aus ebenjener medialen Perspektive, die an diesen Verkürzungen und Essentialisierungen entscheidend beteiligt war bzw. ist.
Nicht nur wegen des dezidiert feministischen Hintergrunds ihrer Forschung erscheint die Wissenschaftstheorie Donna Haraways hier in mindestens zweierlei Hinsicht instruktiv: Auch im Bereich der audiovisuellen Historisierung von Hip-Hop ist zum einen die Situierung von Wissen dies- und jenseits partieller Perspektiven (vgl. Haraway 1988) wesentlich. Das gegenwärtige Phänomen wird somit zum anderen als „String Figure“ (vgl. Haraway 2016), als themenspezifische Fadenfigur unterschiedlicher, vielfach miteinander verzweigter medialer Formate verständlich – es wird als eine solchermaßen komplex angeordnete Konstellation verstehbar, darstellbar und erforschbar. Für den Modus der Einsicht in und durch aktuelle Audiovisualisierungen von Hip-Hop ist demnach dessen (und deren) Transmedialität zentral. Nur die medienübergreifende Anordnung und Schau der Spielfilme, Dokumentationen, Serien und weiteren Formate15 ergibt eine umfassende Diskursivität, die den vielfältigen Dimensionen des Begriffs der Einsicht Rechnung trägt. Erst in ihrer transmedialen Gesamtheit befördert die gegenwärtige Welle zum Hip-Hop insofern „Knowledge, Wisdom, Understanding“.
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